Lost on Nairne Island
Autsch.
(b) Unsere Ziele im Leben. Meines bestand darin, Künstlerin zu werden. Nate wollte Lehrer werden. Wir tauschten uns darüber aus, dass unsere Eltern beides total daneben fanden und sich so aufführten, als wollten wir als Akrobaten zum Zirkus.
(c) Das, was wir am liebsten mochten. Bei mir war das Schokolade, der Geruch von Farbe, ein Nickerchen in der Sonne und Filme jeder Art. Nate mochte das selbstgemachte Brot seiner Mom, Gewichtheben, Bücher und am Wasser sein.
Der einzig peinliche Moment war der, als wir in die Einfahrt bogen. Nate war aufgefallen, dass es schon fast fünf war und wir besser zurückfuhren, und dann war es ganz plötzlich still geworden, weil uns wieder bewusst wurde, dass wir uns ein Zuhause teilten.
Nach dem Abendessen ging Nate hoch in sein Zimmer, um sich an seine Hausaufgaben zu machen. Ich begab mich ebenfalls in mein Zimmer und schnappte mir meine Bücher. Vor Nates Tür blieb ich kurz stehen. Am liebsten hätte ich unser Gespräch fortgeführt, doch ich war mir nicht ganz sicher, wie die Regeln aussahen. Wir lebten zwar zusammen unter einem Dach, doch war es deshalb gleich okay, dass ich einfach so an seine Tür klopfte? Musste ich mich dafür erst vorher anmelden? SchlieÃlich kritzelte ich einfach Bin in der Bibliothek auf einen Zettel und schob ihn unter seiner Tür durch.
In der Bibliothek war es kalt, aber mit ein paar Decken konnte man es aushalten. Klar, im Wohnzimmer gab es elektrisches Licht, aber da saÃen Dick und meine Mom. Ich war noch nicht bereit, Mom das Herz zu brechen und ihr zu gestehen, dass meine kurze und ruhmreiche Cheerleader-Karriere schon wieder vorbei war. Die Ãllampe auf dem Tisch gab genügend Licht ab. Ich fuhr mit den Fingern über den Kaminsims und betrachtete die gerahmten Bilder. Eines fesselte meinen Blick ganz besonders. Darauf abgebildet war eine ernst dreinblickende Frau in dem perlenbesetzten Kleid, das ich auf dem Dachboden gefunden hatte. Sie hielt einen kleinen Jungen an der Hand. Eine Babyversion von Dick. Seine Mom versprühte den Charme einer Gefängniswärterin. In ihrem Blick war so gar nichts Sanftes und ihr dunkles Haar war zu einem strengen Knoten zurückgebunden, als hätte sie Angst, es könnte sich danebenbenehmen. Sie hielt zwar seine Hand, doch die Distanz zwischen ihr und dem kindlichen Dick war offensichtlich. Auf einem der unteren Regale lag ein Stapel Scrabble-Spiele. Dick hatte offenbar keinen Scherz gemacht, als er meinte, die Leute in seiner Familie wären groÃe Fans davon.
Ich zündete ein paar zusätzliche Kerzen an und holte mein Arbeitsbuch zur amerikanischen Geschichte hervor. Wir sollten morgen einen Test schreiben. Ich hatte die Wiederholungsstunde heute Nachmittag verpasst, daher musste ich mir jetzt selbst zusammenreimen, worauf sich Mr Mills bei dem Test wohl konzentrieren würde. Ich schaffte es, zwei Kapitel zu lesen, ehe mein Gehirn aufgrund der Fülle an Informationen abzuschalten drohte. Ein einzelner Mensch kriegt nur eine begrenzte Anzahl an Fakten zur »GroÃen Depression« in den Kopf, ehe er selbst Depressionen bekommt. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon fast elf, aber ich war noch nicht müde.
Daher holte ich meinen Zeichenblock raus. Ich überlieà meinem Bleistift freien Lauf, ohne mir bewusst ein Bild zu überlegen. Als mir klar wurde, was ich da zeichnete, hielt ich inne. Eine Muschel. Ich hatte Nautilusmuscheln skizziert, die aneinanderlehnten, und im Vordergrund ein paar Seeigel. Ich hatte den ganzen Tag nicht an die Sache mit dem Geist gedacht. Zwischen Nate und mir war es so gut gelaufen, dass es irgendwie nie so richtig passend schien, ihn darauf anzusprechen, ob seine tote Schwester möglicherweise versuchen könnte, mir eine Botschaft zu schicken. Mit der flachen Seite des Bleistifts erzeugte ich Schatten auf dem Bild. Ich wollte den Eindruck erwecken, als würden sich die Muscheln aneinander abstützen, ohne dass eine auf der anderen lastete. Ich hatte keinen Schimmer, wo die ganzen Details plötzlich herkamen. Ich hielt mich selbst mitnichten für einen Experten, was irgendwelche Arten von Meeresbewohnern betraf, doch wenn ich einen Augenblick absetzte, bewegte der Bleistift sich fast wie von alleine weiter. Ich hielt die Zeichnung hoch, um sie besser betrachten zu können. In dem Moment hörte ich, wie Mom meinen Namen rief.
Sie schrie fast, weil sie sich offenbar im
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