Lost on Nairne Island
nickte ich zustimmend. Dann senkte ich meinen Blick auf das Schreibpult. Trotz meines zarten Alters wusste ich, dass ich ihn verraten hatte.
»Da hast duâs. Sie will dich nicht sehen. Und jetzt geh. Du hast schon genug Schaden angerichtet.«
Und dann ging mein Dad einfach so. Er stritt sich nicht weiter mit meiner Mom herum und er bemühte sich auch nicht um ein regelmäÃiges Besuchsrecht. Seitdem hatte ich ihn vielleicht noch ein paar Dutzend Mal gesehen und jedes Jahr schickte er mir zum Geburtstag eine Karte. Ich merkte mir zwar seine Adresse, doch schrieb ich nie zurück, und besuchen wollte ich ihn erst recht nicht. Jetzt erst wurde mir klar, wie sehr es seine Gefühle verletzt haben musste, dass ich ihn an jenem Tag in der Schule verraten hatte. Doch immerhin war ich damals erst sechs gewesen. Er hingegen war der Erwachsene. Man möchte doch meinen, dass er sich mehr hätte bemühen können, mehr bemühen sollen .
»Dachte ich es mir doch, dass du das bist. Was tust du denn hier?«
Ãberrascht hob ich den Blick; ich war völlig in Gedanken versunken gewesen und war noch nicht allzu weit gekommen. Jetzt stand Nicole vor mir.
»Ãh. Ich geh nur spazieren.« Mein Herz raste.
»Und da bist du zufällig direkt bei mir Zuhause vorbeigekommen?« Sie legte den Kopf schief.
ScheiÃe. Sie wusste, dass ich bei ihrem Psycho-Dad gewesen war. Das würde garantiert in weniger als dreiÃig Sekunden in der Schule die Runde machen. Verdammt, wahrscheinlich hatte sie schon die gesamte Schülerschaft über diese Neuigkeit per SMS in Kenntnis gesetzt.
»Ich weiÃ, weshalb du hier bist.« Nicole lieà sich auf dem Randstein nieder und bedeutete mir, mich neben sie zu hocken. Ich setzte mich neben sie. »Ich fühle mich auch mies.«
»Im Ernst?«
»Klar. Das alles war echt bloà als Witz gedacht, aber ich hab geschnallt, dass ich es damit ein bisschen übertrieben hab. Ich hätte wissen sollen, wie du dich dabei fühlen würdest, erst recht, weil du doch neu hier bist und so. Die ganze Sache mit der Unterhose war total gemein. Ich fände es echt schade, wenn wir jetzt keine Freundinnen mehr sind. Und da du hier bist, gehe ich davon aus, dass dir der Gedanke genauso wenig gefällt.« Nicole legte mir ihre Hand auf den Arm. »Also, was meinst du, sollen wir die Sache vergessen?«
»Klar.« Ich verlagerte mein Gewicht auf dem Bordstein und vermied es, zu ihrem Haus zu sehen, nicht dass sie irgendwie auf die Idee kam, dass ich da drin gewesen war. »Aber ich sollte dir wohl sagen, dass ich immer noch nicht bereit bin, dem Cheerleaden eine zweite Chance zu geben. Das ist nicht mein Ding.«
»Also gut. Aber wenigstens sind deine besten Freundinnen ganz vorne mit dabei.« Sie hakte sich bei mir unter, und ich musste gegen den Drang ankämpfen, mich von ihr zu befreien. »Wir werden schon dafür sorgen, dass man dich zu den coolen Partys einlädt. Oh! Da fällt mir ein, hast du schon von der Sache mit dem Lagerfeuer gehört?«
Ich musste an das Feuer denken, das Nate und ich am Strand gemacht hatten, doch mir war klar, dass es nicht das war, was sie meinte. »Nein, ist mir nichts zu Ohren gekommen.«
»Am Strand von Tara Cove findet diesen Donnerstag eine fette Party statt. Chuck Watlins Bruder hat ein Fass Bier organisiert, da gibt es massig zu trinken. Du kommst doch, oder?«
»Logo.«
»Und ich muss dich auÃerdem um einen Gefallen bitten.« Nicole lächelte mich verschmitzt an. »Ich hätte gern, dass du deinen Bruder mitbringst.«
»Nate?«
Nicole lachte. »Hast du denn sonst noch irgendwelche Brüder? Klar meine ich Nathaniel. Schätze, das ist die perfekte Chance für mich. Erst fülle ich ihn mit ein paar Drinks ab und dann mache ich mich an ihn ran.«
Mein Gehirn geriet ins Stottern, als ich nach der richtigen Antwort darauf suchte. »Nathaniel steht nicht so auf Partys. Er ist eher der ruhige Typ.«
Nicole tat meine Worte mit einer wegwerfenden Handbewegung ab, als wären sie nichts als lästige Mücken. »Jeder steht auf Partys. Es kommt nur ganz darauf an, mit wem man feiert. Wenn er keine Menschenansammlungen mag, dann können er und ich uns ja ein bisschen abseilen, nur wir zwei. Ich bitte dich doch nur, dass du ihn mitbringst.«
»Ich fühl mich aber nicht unbedingt wohl dabei, wenn ich Nate so hinters Licht führe.«
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