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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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Wand, nahm die Lampe
vom Lenker und beleuchtete damit den Hauseingang. Kurz glitt sie mit dem Licht
über die rostbraune Schrift »Romane«, die wie Drohung und Verführung zugleich
schimmerte.
    Valentina zog das GPS aus der Tasche
und verglich die Koordinaten. Zahlen und Ort stimmten überein. Hier musste sich
der Cache irgendwo befinden.
    Sie leuchtete in die Finsternis. Bei jedem Schritt, mit dem sie
tiefer in das Gebäude drang, glaubte sie, das Dunkel fresse den Strahl ihrer
Leuchte mehr. Tatsächlich aber war es die Batterie, die schlappmachte.
Plötzlich war es stockfinster. Valentina hielt sich die Hand vor Augen, sie
konnte sie nicht sehen. Wie war das möglich? Am Tag war hier doch Sonnenlicht
eingefallen. Warum drang kein Schein der Straßenlaternen in das Gemäuer? Hatte
jemand die Fenster abgedichtet?
    Valentina nahm den Rucksack von den Schultern und kramte blind in
den aufgesetzten Taschen. Doch ehe sie die Taschenlampe fand, sah sie das
Glühen einer Zigarette am anderen Ende des Raumes.
    Entsetzt ließ sie den Rucksack fallen. Das Geräusch verriet ihren
Aufenthaltsort. Wenn es jemand auf sie abgesehen hatte, dann konnte er sie
jetzt sogar im Dunkeln erschießen. Schnell schlich sie drei Meter nach rechts,
vorsichtig tastend, damit sie nicht gegen mögliche Gegenstände stieß. Dabei
entfernte sie sich allerdings vom Rucksack und von der wichtigen Taschenlampe.
Sie hätte damit den Raucher blenden können. Vielleicht war es auch nur ein
harmloser Landstreicher.
    Sie hielt den Atem an und lauschte, hörte nur ihr pochendes Herz,
das bis zur Kehle schlug. Valentina wagte es nicht zu schlucken. Man würde es
über Kilometer hinweg hören.
    Die Zigarette glomm wieder. Der Fremde befand sich noch am selben
Ort. Wer immer es war, er musste wissen, dass sie hier war. Wenn er Angst
hätte, würde er ebenfalls versuchen, sich zu verbergen. Aber er wollte geortet
werden. Deshalb rauchte er. Der Rauch drang jetzt bis an Valentinas Nase. Es
war der verbrannte Tabak einer Zigarre.
    Plötzlich erklangen die Klänge einer akustischen Gitarre. Die tiefe
E-Saite schwang hoffnungslos verstimmt, aber Valentina erkannte das Lied
dennoch. »Il ragazzo della via Gluck« von Adriano Celentano. Es handelte von
einem Jungen, der vom Land in die Stadt zog und sich nicht darüber freuen
mochte, dass er die Wiese gegen den Asphalt tauschen musste. Valentina hatte es
oft gehört. Ihre Mutter hatte die Platte rauf- und runtergespielt, und die
Nähmaschine war bei diesem Lied immer verstummt. Es waren heilige Momente,
Abende, an denen man mit ihr am besten nicht mehr sprach. Sie war dann nicht
erreichbar, weit entrückt, am anderen Ende der Welt.
    Die Gitarre verstummte, dafür glomm die Zigarre wieder.
    Valentina kauerte wie eingefroren an der Mauer und starrte auf das
rotorange Glühen etwa fünf Meter von ihr entfernt.
    Der Gitarrenspieler musste wissen, dass sie hier war. Valentina
schien es, als hätte er auf sie gewartet. Auf jeden Fall hatte er sie beim
Eintreten des Gebäudes gehört. Denn er hatte nicht gespielt, es war still
gewesen. Sie musste erfahren, wer es war, der mit dem Lied von Celentano auf
sie gewartet hatte.
    Vielleicht konnte sie sich langsam in Richtung der Zigarre
schleichen und den Gitarristen dann aus Nahkampfdistanz überrumpeln? Sie hätte
das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Valentina wartete das nächste Glühen
der Zigarrenspitze ab und begann ihren Plan umzusetzen.
    Bedacht achtete sie darauf, dass die Aktion kein Geräusch
verursachte. Sie legte sich bäuchlings und kroch wie eine Echse über den
schmutzigen Boden des Raumes, um für einen etwaigen Schuss weniger Zielfläche
abzugeben. Nach drei Salamanderschritten hielt sie inne und lauschte.
Vielleicht würde sie jetzt schon das Paffen des Mannes hören können? Ihr fehlte
ein weiteres Aufleuchten der Glut, um den Abstand besser einschätzen zu können.
Aber die Zigarre glomm nicht mehr auf. Würde jetzt gleich wieder die Gitarre
erklingen? Valentina hoffte darauf. Zum einen würde sie dann weniger
geräuschlos vorgehen müssen, zum anderen hätte der Fremde die Hände am
Instrument und nicht an einer Pistole.
    Aber er spielte nicht. Die Stille und das Dunkel wurden für
Valentina zunehmend unerträglicher. Auch wenn sie noch gute drei Meter von dem
Unbekannten entfernt war, sie musste es jetzt riskieren.
    Sie stemmte sich in Sprintposition, nahm zwei Schritte Anlauf und
hechtete in die Richtung, in der sie das letzte Glimmen geortet hatte.

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