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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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Doch
statt auf einen Körper zu treffen, schlug sie auf dem Boden auf. Unter ihr
krachte Gitarrenholz. Rasch rollte sie sich über den Estrich weg, um einem
möglichen Gegenangriff zu entgehen. Dabei stieß sie an den zurückgelassenen
Rucksack. Unter ihrem rechten Oberschenkel spürte sie den Druck eines
Gegenstandes. Es war die Taschenlampe. Schnell griff sie danach, schaltete sie
ein und richtete sie auf die Stelle, wo eben noch der Gitarrenspieler gewesen
sein musste. Aber sie leuchtete lediglich auf eine Wand, von der Putz
blätterte.
    Nervös strahlte Valentina im Kreis um sich herum. Aber außer ihr war
niemand im Raum. Bis auf eine Gitarre, die verlassen auf dem Boden lag.
    Sie ging vorsichtig darauf zu. Sie konnte sich irren, aber das
geborstene Instrument sah aus wie die Gitarre von Don Bernardo. Valentina
begann der Schweiß von der Stirn zu rinnen. Zwei Perlen tropften auf das
gerissene Ahornholz der Gitarrendecke. Valentina wischte sie mit dem Ärmel weg
und nahm die Gitarre vom Boden. Im Inneren des Gitarrenbauches rumpelte etwas.
Sie lauschte und drehte die Gitarre in ihren Händen. Es polterte wieder. Sie
schüttelte das Instrument abermals und hielt das Schallloch gegen den Boden
gerichtet. Das plastikgelbe Innere eines Überraschungseis verfing sich in den
Saiten, glitt dann darüber und fiel zu Boden.
    Valentina leuchtete nach dem Ei und hob es auf. Plötzlich war ihr,
als säße sie in einer Falle und unsichtbare Geister würden sie beobachten und
über ihre Blindheit lachen. Sie begann sich um ihre Achse zu drehen, ließ die
Gitarre scheppernd zu Boden fallen, schnappte sich den Rucksack und rannte aus
dem Haus.
    * * *
    Da war sie wieder. Sie mochte eine halbe Stunde drin gewesen
sein. Alberto blickte auf seine Armbanduhr. Er hatte sich Sorgen gemacht. Zwar
hatte er das Haus zuvor nach menschlichem Unrat abgesucht, aber man konnte nie
wissen, wer sich im Dunkel der Nacht dann doch noch ungesehen einen
Unterschlupf suchte. Jetzt war er froh, dass Valentina wieder draußen war.
Einen Plan auszutüfteln war eine Sache, ihn reibungslos umzusetzen eine andere.
Und dieser Plan war äußerst kompliziert, da konnte immer etwas schieflaufen.
Vor allem weil Alberto wieder einmal nur die Hälfte des Plans kannte. So waren
eben die Gepflogenheiten, so hielt es »Il Cervello«.
    Er hatte die Aufgabe, Valentina zu beschatten und vor externen
Gefahren zu schützen. Von internen Gefechten, denen sie ausgeliefert wäre,
wusste Alberto nichts. Das war Angelegenheit der höheren Spezialisten wie Il Cervello.
Da Alberto ihn nie zu Gesicht bekommen hatte, stellte er sich ein körperloses
Gehirn vor, das in einem Labor in einer Nährlösung schwamm und die besonderen
Pläne ausheckte. Vermutlich arbeitete Il Cervello aber tagsüber irgendwo
bei der italienischen Post und stellte sich dabei so dumm an, dass er
Warteschlangen von hundert Metern vor seinem Schalter provozierte, weil er eine
geleckte Briefmarke nicht mehr vom Gaumen bekam. Provenzano, den sie nur den
»Buchhalter« genannt hatten, war bereits ein Meister der Verstellung gewesen,
aber Il Cervello musste noch besser sein. Er war überall und nirgends. Wie
Gedanken, die aufstiegen und entschwanden, durch Gemäuer in die Seelen der
Menschen krochen, sich dort einnisteten, Schimmel bildeten und Dämonen weckten.
    Alberto hatte die Gitarrenklänge auch gehört, leise und entfernt. Er
kannte das Lied von Celentano, war von der simplen Melodie getroffen worden,
und die Bilder und Sehnsüchte, die durch sie berührt wurden, hielten noch immer
an.
    Nein, er wollte Il Cervello nicht ausgesetzt sein. Ein Hauch
von Mitgefühl für Valentina stieg in ihm auf, als er sie noch immer an die
Hausmauer angelehnt nach Atem und Verstand ringen sah. Und er hörte sich
auffordernd murmelnd: »Forza, ragazza, forza.«

VIER
    Nicola lag rücklings auf einem zu drei Vierteln
aufgepumpten Gymnastikball und rekelte sich lasziv zu dem Meeresrauschen, das
aus den Lautsprecherboxen ihrer Stereoanlage wogte. Ihre Lider waren halb
geschlossen; sie seufzte und stöhnte unter den Bewegungen, die sie auf dem Ball
vollführte. Mal provozierte er ein Lachen der Verdrängung, dann einen Aufschrei
des Erschreckens. Doch meistens gelang es Nicola, die Anspannungen in gesummten
Atem umzuwandeln und somit ihre Übung lustvoll zu empfinden.
    Sie ertappte sich dabei, wie sie an Professor Adler dachte, und
stieß einen langen und lauten Seufzer aus, der erahnen ließ, was Adler hätte
erleben

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