Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
Aufgabe, doch als ihre Finger durch seine dichte Mähne fuhren, tat sie das auch, um genießen zu können, dass seine Haare, wie sie vermutet hatte, tatsächlich so seidig waren, wie sie aussahen.
Das Schweigen im Raum lastete wie ein Mühlstein auf ihr, als sie ihre Finger in seine dunkle Haarpracht versenkte. Es fühlte sich warm an, fast lebendig vor Vitalität, und widerspenstig. Denn als sie versuchte, es ihm aus der Stirn zu streichen, fiel es immer wieder zurück. Sie seufzte gereizt und griff nach dem gelben Band, das sie auf dem Tisch bereitgelegt hatte.
Miss Symlen brach das Schweigen. »Habt Ihr Eure Künste schon einmal an einem Mann ausprobiert?«
»Ja, aber ich darf Euch nicht sagen, an wem.« Clarice trat hinter Hepburn, fasste sein Haar mit beiden Händen, strich es nach hinten und sicherte es mit dem Band. Dann lächelte sie die älteren Frauen an. »Männer sind so eitel wie Frauen«, meinte sie verschwörerisch, »aber sie mögen nicht, dass sich das herumspricht.«
Die Ladys schauten zwischen Clarice und Hepburn hin und her, als überlegten sie, ob sie es wagen konnten, ihrer Fröhlichkeit freien Lauf zu lassen.
Dann lachte Hepburn tief, und alle anderen fielen in dieses Lachen ein.
Clarice trat zurück und schaute ihn an. Hepburn hätte eigentlich albern aussehen müssen, wie er so dasaß, in einem Raum voller Frauen mit einem gelben Band im Haar.
Nur wirkte er alles andere als lächerlich. Im Gegenteil, mit zurückgebundenem Haar wirkte er noch archaischer, was die Frauen zu faszinieren schien.
Merkten sie denn nicht, wie imponierend er war? Wie gefährlich? Nur wenige Männer hätten sich in eine solche Lage begeben können, ohne ihre Männlichkeit zu gefährden. Doch bei ihm war das keine Frage. Stattdessen beeindruckte er mit seiner mühsam gebändigten, maskulinen Ausstrahlung sämtliche Frauen in diesem Raum auf eine Art, die Clarice Angst einflößte. Und sie war normalerweise nicht so leicht zu verängstigen.
Rasch drehte sie sich zum Tisch rum, öffnete einen Tiegel und steckte die Finger hinein. Sie holte einmal tief Luft, trat wieder zu Hepburn und tupfte die blasse Salbe auf seine Wangen, sein Kinn, seine Nase und Stirn. »Ihr müsst nicht viel von meiner geheimen, königlichen Hautcreme auftragen«, sagte sie an ihr Publikum gewandt. »Es braucht nur einen kleinen Klecks, um den Teint auf eine wundervolle Art und Weise aufzufrischen. Ihr bemerkt gewiss die rote Stelle hier« - sie deutete auf sein Kinn -, »wo Lord Hepburns Kammerdiener die Haut bei der Rasur verletzt hat.« Sie tupfte etwas von der Creme darauf. »Die Salbe wird das Brennen lindern und die Verletzung heilen. Gentlemen, die sich jeden Tag rasieren, bedürfen dieser Salbe sogar mehr als wir Ladys.« Sie zog ein langes Gesicht. »Aber ich wünsche Euch viel Glück, wenn Ihr einen Mann davon überzeugen wollt, so für sein Gesicht zu sorgen! Und zwar jeden Mann, außer
vielleicht Beau Brummell.« Sie achtete sorgfältig darauf, dass alle im Raum ihre Bewegungen sehen konnten, und verteilte die Creme mit kleinen, kreisenden Bewegungen über Hepburns Gesicht.
Er ließ ihre Behandlung geduldig über sich ergehen. Clarice fühlte sich unwiderstehlich in ihre Kindheit zurückversetzt, als ein Wanderzirkus den Palast besucht hatte. Sie hatte solange gebettelt, dass sie den Löwen streicheln durfte, bis ihr Vater es ihr erlaubt hatte. Der Löwe hatte geschnurrt und sich gestreckt, und mit ihren kleinen Handflächen hatte sie seine eisernen Muskeln erspürt. Sie hatte seine langen Krallen gesehen, und als das Biest den Kopf gedreht und sie angestarrt hatte, erkannte sie in seinen Augen eine Wildheit, die kein Gitter zurückhalten konnte.
Großmutter hatte sie erspäht und sie rasch vom Käfig weggezogen, doch diese Wildheit hatte ihre Seele berührt.
Und genauso verhielt es sich bei Hepburn. Er war hinrei ßend gefährlich und wild, und etwas an ihm berührte ihre Seele.
Die Hitze seiner Haut drohte ihre Fingerspitzen zu verbrennen, und sie sah in seinen Augen einen dunklen Schleier, der seine Gedanken verbarg. Seine Seele.
»So!«, sagte sie gezwungen fröhlich, als es ihr endlich gelang, ihren Blick von seinem loszureißen. »Das ist der erste Schritt, und die meisten Männer brauchen auch nur diesen. Da Lord Hepburn mich jedoch gebeten hat, seine Narbe zu verdecken, dieses unendlich kleine Mal, das nur sein Flair als Soldat und Helden steigert...«
Die Ladys murmelten zustimmend und klatschten Beifall.
»...
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