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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Roth
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Glückwunsch«
Lotta ist da
    Ich liege in meinem Bett und bin zum ersten Mal seit langer Zeit allein. Ich bin leer. Keine Tritte mehr, kein Drehen, nur Schmerzen. Harry ist gelaufen, um die Schwester zu fragen, ob ich jetzt schon die nächste Tablette haben kann. »Geh zu Schwester Martina«, habe ich ihn gebeten. »Und knips deinen Charme an.«
    Lotta ist weg. Kleine, runde Lotta. Das Gesicht ein Mond, die Finger ganz dick. Stolz war ich darauf, bis Feldkamp sagte: »Aufgeschwemmt.« Bei der Taufe gestern Abend auf der Intensivstation hat sie zum ersten Mal die Augen geöffnet, groß und dunkel. Die Monitore piepsten und warfen grünes Licht, die Seelsorgerin sprach einen Segen und im Schein der Taufkerze konnte ich Lotta zum ersten Mal richtig anschauen. Eine Schwester wird später sagen: »Ich habe die Kerze gesehen und gedacht, jetzt stirbt schon wieder eins.«
    »Nein«, werde ich antworten. »Mein Kind stirbt nicht.« Lange Wimpern. Perfekte, kleine Fingernägel. Babygeruch, als ich sie in den Nacken küsse. Unsterblich.

    An der Hüfte setzt Brassel an. Zwei Stiche in der Leistengegend. Per Hand lenkt er Katheter, so unvorstellbar klein, dass sie in Lottas winzige Adern passen, von der Hüfte bis ins Gehirn. Dort setzt er mit Hilfe der Katheter so genannte Coils, Platinspiralen, die sich an die Wand der erweiterten Hirnadern setzen und dort vernarben. Nach und nach will er mit den Coils jeden kleinen Zufluss verstopfen. »Als würde man das Nildelta trockenlegen«, hat Brassel erklärt. »Oder ein Loch in einem Gartenschlauch flicken.« Weniger Blut kann die Abkürzung am Hirn vorbei nehmen, mehr Blut kommt an Stellen an, die vorher unterversorgt waren. Brassel will so das Herz entlasten. Wenn dem Gehirn weniger Blut verloren geht, fordert es auch weniger an und das Herz kann einen Gang zurückschalten. »Embolisation«, lernen wir, heißt die OP. Embo sagen Schwestern und Ärzte und bald auch wir. Zehn Stunden liegt Lotta in Vollnarkose. Jeder Schritt wird durch Röntgenaufnahmen überwacht.
    Nina schaut zur Tür rein, in der Hand ein Paket in rosa Geschenkpapier. »Danke«, sage ich und packe aus. Ein Pony aus Plüsch. Nina geht bald wieder.
    Harry kommt mit der Tablette. »Wenn Brassel nun zittert ...«
    Ich schüttele den Kopf. »Nicht.«
    Noch vor 24 Stunden bewegte sich Lotta in mir, nun liegt sie zwei Stockwerke tiefer auf einem OP-Tisch, nackt unter einem grünen Tuch. Es müsste mich zerreißen. Doch es ist, als hätten die Ärzte mir mit Lotta auch die Gefühle aus dem Leib geschnitten. Ich bin leer. Und ich möchte es bleiben. Die Angst ahne ich nur. Besser nichts fühlen als das, was da lauert, hinter einer Wolke aus Schmerzmitteln und Betäubung. »Heute Abend wissen wir, woran wir sind«, sage ich zu Harry. »So oder so.«

    Wir fahren die A3 runter. Harry am Steuer. Das Radio spielt ganz leise:
»I got sunshine on a cloudy day
When it’s cold outside, I got the month of May
I guess, you’ll say what can make me feel this way – my girl ...«
    Harry schaut zu mir, ich drehe mich nach hinten zur Rückbank. Lotta liegt in ihrem Autositz. Sie seufzt im Schlaf. Ihre Hände sind zu kleinen Fäusten geballt, sie hat sie unter ihr Kinn gezogen. Harry bewegt die Lippen zum Text und flüstert » talking about my girl «.
    Zu Hause angekommen stellen wir sie samt Autositz ins Wohnzimmer, Ben schleicht um sie herum. Reckt den Kopf, um sie genau zu betrachten, ohne zu nah ranzumüssen.
    »Willst du sie mal streicheln?«
    Stumm schüttelt er den Kopf. Als Lotta aufwacht und einen maunzenden Schrei ausstößt, macht er erschrocken einen Satz nach hinten. Er sitzt auf dem Boden und schaut zu, wie ich sie auf dem Sofa stille. Als sie wieder an meiner Schulter eingeschlafen ist, pirscht er sich ran und betrachtet sie mit schief gelegtem Kopf. Mit ausgestrecktem Zeigefinger fährt er ihre Wange entlang, lässt seine flache Hand auf ihrem Kopf liegen. Sie schmatzt mit den Lippen. Er lächelt. »Die sieht glücklich aus, oder, Mama?«
    »Ja«, sage ich. Wir sind gerettet.

    Nur zehn Tage mussten wir nach der OP im Krankenhaus bleiben, dann durften wir gehen. Vor Lottas Geburt mag ich Zweifel gehabt haben, wie diese Geschichte enden wird. Nun ist alles klar. Mit jedem Atemzug von Lotta weicht meine Betäubung ein Stück weiter. In mir hebt ein Chor zu singen an: Lotta, Lotta, Lotta. Ihre Füße, ihre Hände, ihr Bauchnabel. Ich küsse die grün-blauen Flecken, die die Nadeln hinterlassen haben. »Wie stark du

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