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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Roth
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wiegt Lotta in den Armen, deren Mundwinkel ziehen sich nach unten. »Hüm, Hüm.« Die Erzieherin summt, wiegt und fragt: »Vielleicht hat sie Hunger?«
    »Vielleicht ist ihr langweilig«, sage ich. »Versuch’s mal mit Hoppe Reiter.«
    Lotta mag auf dem Entwicklungsstand eines Babys sein – sie ist trotzdem keins. Sie ist ein fast dreijähriger Trotzkopf, der wildes Schaukeln spannender findet als sanftes Wiegen.
    »Loo’ta«, ruft Kofi und streckt seine Arme nach ihr aus. »Loo’ta!«
    »Oi, oi, oi!«
    Kofi ist französischer Muttersprachler, doch in Melanies Augen wäre er trotzdem nicht der ideale Spielpartner. Kofi kann noch nicht richtig Deutsch, aber schon das Lied von »Bob der Baumeister« singen. Er sagt, er mag zum Frühstück am liebsten Cheeseburger. Er wird wohl nie mit Hockey anfangen. Er hat wahrscheinlich noch nie einen Dinkelkeks gegessen.
    Kofi streckt seine Arme nach Lotta aus und verteidigt seine Stellung am Buggy gegen alle, die auch mal schieben wollen. Er ist der beste Freund, den ich mir vorstellen kann. Er kann auf Lotta zugehen, sie umarmen, sie anschieben, denn er ist nicht schwerstbehindert. Reicht das, um Inklusion genauso richtig zu finden wie Zora?

    »Und der pinkelt Mariella immer in den Ranzen.«
    »Nein!«
    »Doch, jeden Morgen. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.«
    Harry und ich bei der Party eines Freundes, wir stehen um Stehtische, essen klein geschnittene Currywurst aus schmalen Gläsern und Mini-Frikadellen von Zahnstochern. Ich, Harry und drei Kolleginnen des Gastgebers.
    »Der hat das Down-Syndrom«, sagt die erste mit gesenkter Stimme. »Aber trotzdem, ich sage dir, der macht das mit Absicht. Das ist Mobbing. Mariella will schon nicht mehr in die Schule.«
    »Und was machst du jetzt?«, fragt die daneben.
    »Ich habe schon mit dem Lehrer gesprochen, aber da steht man gleich als behindertenfeindlich da. Vielleicht müssen wir wechseln. Gemeinsamer Unterricht – so ein Quatsch.«
    »Man tut den Kindern keinen Gefallen damit. Der merkt bestimmt, dass er langsamer ist als die anderen«, die Dritte.
    Harry und ich schweigend und kauend daneben.
    »Klar, und der hält die ganze Klasse auf. Die hinken dem Lehrplan sowieso hinterher. Wie sollen die in den 100er Zahlenraum kommen, wenn der die ganze Zeit dazwischenblökt?«
    »Vorsicht«, sagt Harry. »Unsere Tochter ist auch behindert.«
    Stille. Gezwungenes Lächeln. »Echt? Das denkt man gar nicht, wenn man euch so sieht ...«
    Harry stellt sein Glas ab. »Wer von den Damen möchte denn noch einen Crémant?« Als er in die Küche geht, zwinkert er mir zu.
    Die Erste beugt sich vor. »Ich habe natürlich nicht sagen wollen, dass alle Kinder, die ... dass die alle so sind.«
    Ich sage: »Natürlich nicht.«
    Die Zweite: »Darf ich denn fragen, was genau ...«
    »Ich glaube, ich hole mir auch einen Crémant.« Ich folge Harry in die Küche.

    Ich lehne mich an den Kühlschrank. Der Mann vom Catering bringt die Scampi nach draußen. »Wie sollten wir denn aussehen?«, frage ich Harry. »Wie sehen Eltern behinderter Kinder aus?«
    »Wir wären gar nicht hier«, sagt er. Wenn wir uns an unsere Rolle halten würden, ständen wir nicht auf einer Party bei den Häppchen-Platten. »Wahrscheinlich sollten wir verbittert aussehen, traurig.«
    »Bist du denn trauriger als früher?«
    Harry überlegt. »Wenn ich hier solche Bilder sehe ...«. Er zeigt auf die Fotos hinter mir am Kühlschrank, drei Kinder auf Schaukeln, wilde Umarmungen, Kinder, die sich gegenseitig mit Wasser nass spritzen. »Aber andererseits ... wie sie heute beim Frühstück gelächelt hat, weißt du noch?«
    Ich nicke. »Komisch, oder? Dass eine Kleinigkeit schon reicht für einen ganzen Tag Glücklichsein.«
    Wir stoßen an. Wir schwärmen von den Grübchen unserer Tochter. Wie wenig es braucht. »Meinst du, wir wären noch glücklicher, wenn wir all das nie erlebt hätten? Wenn unsere schlimmste Sorge eine Woche Fieber gewesen wäre ...?«
    Er schenkt uns nach und sagt: »Das wird jetzt eines dieser tiefschürfenden Partygespräche in der Küche, wie früher zu Uni-Zeiten ...«
    Ich lege den Kopf schief, breites Lächeln. »Hi!« Hand in die Hüfte. »Kennen wir uns nicht aus der Vorlesung bei Professor Hildebrandt?«
    Er lacht. »Nein, bei Professor Brassel.« Der Mann vom Catering holt auch noch die Mini-Schnitzel.
    »Ohne Lotta würde ich es dir wahrscheinlich übel nehmen, dass du die Spülmaschine umräumst, wenn ich mal was reinstelle.«
    »Die tiefen

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