Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)
nicht neidisch macht.
Im Kindergarten. »Was ist eigentlich mit den anderen Eltern?«, frage ich Zora. »Ich bin gerne bereit, mich bei einem Elternabend vorzustellen und zu erklären, was Lotta genau hat.«
»Bis jetzt musste hier keiner ein Casting bestehen.«
»Aber vielleicht gibt es Fragen oder Bedenken. Schließlich haben diese Eltern sich keinen Kindergarten ausgesucht, den auch behinderte Kinder besuchen.«
»Ich glaube nicht, dass unsere Eltern ein Problem damit haben«, sagt Zora, »Und wenn doch – es steht jedem frei zu gehen.« Zora hat einen breiten Rücken für so eine schlanke Person.
In der Küche bei der Party sagt Harry zum Schluss: »Ich habe nachgedacht, wir lassen das mit dem Auslandsangebot. Das können wir Lotta nicht antun.«
»Ich habe auch nachgedacht«, antworte ich. »Du solltest deine Träume nicht aufgeben nur wegen Lotta. Das Gleiche sagst du doch auch mir. Wir können nicht auf alles verzichten und das Lotta in die Schuhe schieben. Das Kind hat mehr als genug zu schleppen.«
»Bist du sicher?«
»Ich rufe mal in der deutschen Schule an und erkundige mich. Vielleicht ist es einfacher, als wir denken.«
23
»Bereicherung steht auf dem Index«
Von Ida, Lolla und den Anträgen ans Amt
»Nun geh mal«, sagt Zora und zeigt zur Tür.
»Meinst du wirklich?«
»Du bist jetzt seit drei Wochen jeden Tag da. Wenn du nicht bald gehst, muss ich dich bezahlen.«
Ich gebe Lotta noch einen Kuss. Sie sitzt bei Zora auf dem Schoß. Die anderen Kinder sitzen neben ihnen am Tisch und malen mit Wasserfarben. Lotta hat dicke Kleckser Sonnencreme auf den Fingern. Zora führt ihre Hände übereinander und verschmiert die Sonnencreme. »Fühl mal, Lotta!« Sie hält die Cremetube an Lottas Nase. »Und riech mal – Orange!« Lotta reißt die Augen auf und öffnet die Finger ihrer rechten Hand.
»Ich will auch Creme!«, ruft Theo, zwei Jahre. »Zum Malen!«
»Dann komm her«, sagt Zora.
Theo kriegt einen Tupfen Sonnencreme aufs Bild. Alle wollen. Die Sonnencreme verläuft in den bunten Wasserfarben. »Schön, oder?«, sagt Zora.
»Oi, oi, oi«, sagt Lotta und macht ihre Hand weiter auf.
»Jetzt sag der Mama mal Tschüs, die will gar nicht gehen.«
Tschüß, Lotta. Ich stehe im Flur und schreibe noch schnell meine Handynummer auf das schwarze Brett. Zora hat sie im Büro. Aber …
Eine Stunde, maximal zwei, zweieinhalb. So lange dauert es, wenn Jodi mit Ben oder Lotta spazieren geht. Ich rufe Harry an: »Weißt du, dass ich noch nie so lange alleine hier im Haus war?«
»Genieß es«, sagt er. »Du weiß nicht, wann Zora dich anruft.«
Ich drehe die Musik so laut wie noch nie zuvor hier im Haus. Ich liege in der Badewanne und singe: » I got sunshine on a cloudy day, when it’s cold outside I got the month of May …« Ich schreibe Harry eine SMS: »Sie fehlt mir so.«
»Stockholm-Syndrom«, schreibt er zurück.
Lotta schläft mittags im Schlafsaal, auf einer kleinen Matratze in einer Reihe kleiner Betten. Sie isst mehr als zu Hause. Sie entdeckt pürierte Pizza als ihr Lieblingsgericht. »Als Vorspeise gab es Salat, den haben wir auch püriert. Aber das fand sie eklig«, erzählt Katarina.
Als ich sie abholen komme, sagt Matthias, der Praktikant: »Heute hat sie sich viel übergeben, ich weiß nicht, ob das normal war.«
Er zeigt mir den Eimer. Ich sage: »Das ist hauptsächlich Schleim. Das ist ok.«
Wenn ich sie morgens bringe, lächelt sie. Bis jetzt hatte sie keinen Krampf im Kindergarten. Es ruft keiner an.
Der frisch gestrichene Flur hängt bald voller Kinderbilder. Zora führt einen Tagesbericht ein. Jedes Mal, wenn ich Lotta nach dem Mittagsschlaf abhole, finde ich am Schwarzen Brett einen Zettel mit allen Kindernamen. Unter »Finkengruppe, Lotta« steht: »Lotta hatte heute viel Spaß auf der Wippe«, »Lotta hat ihr schwarz-weißes Bilderbuch sehr intensiv angeschaut«, »Lotta hat heute mit Theo und Kofi gebastelt.«
»Gebastelt?«, frage ich Katarina. »Habt ihr euch nicht im Kind geirrt?«
»Nein«, sagt sie lächelnd. »Wir haben einen Behälter mit Watte gefüllt. Lotta hat mit ihren Händen darin gewühlt. Die anderen haben die Watte auf Pappe geklebt und Lotta hat mit den Händen draufgedrückt, bis der Kleber trocken war.«
Ben steht neben mir und küsst Lotta. »Jetzt kannst du auch schon basteln«, sagt er.
Kofi kommt und küsst Lotta auf die andere Backe.
»Das ist meine Lotta«, sagt Ben. »Komm, wir gehen.«
»Die anderen Kinder halten noch
Weitere Kostenlose Bücher