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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Roth
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Abstand, oder?«, sage ich zu Katarina.
    »Ja, die wissen nicht so ganz, wie sie Lotta einordnen sollen. Aber Ida ist neugierig, die traut sich bestimmt bald.«
    Ida hat gerade laufen gelernt. Latzhose, rote Haare, Kuhfellpantoffeln. Lotta heißt bei ihr Lolla.

    Auf einen Schlag habe ich fünf Stunden am Tag für mich. Ich füttere nur noch eine knappe Stunde am Tag, alles andere übernehmen die Erzieher. Auch Frau Schmidt von der Sehfrühförderung sehe ich kaum noch. Die Karawane zieht jetzt in den Kindergarten. Frau Schmidt schickt mir kurze Berichte per E-Mail: »Lotta hat zu Frau Müller schon eine sehr gute Bindung aufgebaut«, »Lotta hat heute lange fixiert«, »Das Hören ist Lottas Schokoladensinn«. Frau Kniep, unsere Physiotherapeutin, zeigt den Erziehern, wie sie Lotta fördern können. »Die sind richtig engagiert«, sagt sie. »Da haben Sie Glück.«
    »Ich weiß. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal sage, meine Tochter ist im Regelkindergarten genau richtig.«
    »Na, so ganz normal ist der Kindergarten nicht.« Eine Heilpädagogin als Leiterin, sehr engagierte Erzieher – das ist nicht normal. »Und haben Sie schon den Integrationshelfer gekriegt?«
    Ein Integrationshelfer – das ist eine Person, die zusätzlich in den Kindergarten kommt und nur für Lotta zuständig ist. Ich habe das beim Sozialamt beantragt.
    Vier Wochen, hat die Dame gesagt. So lange soll es dauern, bis eine Entscheidung fällt. »Auf welcher Grundlage wird denn entschieden? Und in welchem Rahmen bewegen wir uns denn: Wie viele Stunden könnte ein Integrationshelfer maximal da sein?«
    »Schicken Sie einfach mal Ihren Antrag, Frau Roth.«
    Zwei Wochen habe ich gebraucht, um mich in dem Dschungel aus Paragrafen und Regelungen so weit zurechtzufinden, dass ich einen Antrag losschicken kann. Zum Schluss habe ich einfach im Amt angerufen und jeden gefragt, der ranging. Bei einem Gespräch wurde ich sieben Mal weitergestellt und habe sieben unterschiedliche Antworten auf dieselbe Frage bekommen. »Warum ist das so kompliziert?«
    »Wenn wir allen behinderten Kindern einen Integrationshelfer an die Seite stellen würden, was meinen Sie, wie teuer das wäre?«, sagt mir ein Gesprächspartner.
    Im Briefkasten finde ich einen Brief der Stadt Köln. Sie bieten Lotta einen Platz an, in einem städtischen Kindergarten. Einem integrativen. »Zu spät«, sage ich zu Harry. »Jetzt ist Lotta schon eingewöhnt.« Wir lehnen ab.

    Als ich mit Lotta und Ben im Wald bin, ruft Professor Brassel auf dem Handy an: »Wie geht es Lotta?« Nach der letzten Embo hat er gesagt: »Das würde mich wundern, wenn das keinen Entwicklungsschub gibt. Das muss doch Auswirkungen haben.«
    »Man merkt, dass das Blut an den richtigen Stellen im Gehirn ankommt«, sage ich am Telefon.
    »Was machen die Anfälle?«
    »Kaum noch, alle paar Wochen mal ganz kurz. Das ist ein Wunder.«
    »Eins frage ich mich schon die ganze Zeit: Hat sie noch mal so schön gelacht?«
    »Nein, leider nicht.«
    »Nicht?«
    »Das kommt bestimmt noch.« Tröste ich gerade unseren Operateur? »Es geht ihr sehr, sehr gut. Lotta macht sogar schon erste Laute. Oi, oi, oi.« Brassel lacht. »Und sie geht in den Kindergarten, können Sie sich das vorstellen?« Ich erzähle und erzähle.
    »Der hat das immer noch nicht so ganz angenommen«, sage ich abends zu Harry.
    »Als Arzt fragt man sich wahrscheinlich auch, ob das richtig war, Lotta zu retten«, antwortet er. »Ohne ihn ...«
    »Hätten wir keine Lotta.«
    »Und kein schwerbehindertes Kind. Ist doch verständlich, dass er wissen will, wie es uns damit geht. Ob das eine Bereicherung für uns ist.«
    »Bereicherung steht auf dem Index.«
    Bereicherung lässt sich nicht sagen, ohne Belastung zu denken. Keiner hat mich je gefragt, ob Ben eine Bereicherung ist für mein Leben. Ben ist. Das reicht. Das Gleiche sollte für Lotta gelten.

    Auf dem Stadtwaldspielplatz. Ben klettert die rote Kletterspinne bis fast nach oben. Lotta sitzt in ihrem Wagen. Ich schreibe Harry eine SMS: »Lotta sitzt in ihrem Wagen. Ohne Schieben.«
    Er schreibt zurück: »Freiwillig?« Kurz später: »Ohne Schreien?«
    Ich mache ein Foto von Lotta, wie sie in dem Wagen sitzt, eine Hand auf der Knisterblume. »Aah«, sagt Lotta.
    »Ja, aah. Das machst du toll.«
    Ich fotografiere auch noch Ben beim Klettern und schicke beide Bilder an Harry.
    »Gute Mutter«, schreibt er zurück. »Keine Lieblingskinder.«
    »Haha«, schicke ich zurück. Lotta schüttelt ihren Kopf. Ich mache

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