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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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mummeln.«
    »Das ist wohl nicht das Alter, Ew. Excellenz, sondern bloß die Lebhaftigkeit des Denkens. Haben gewiß auch in der Jugend gern mal schon mit sich selbst gesprochen.«
    »Da hast du auch recht. Kam sogar viel öfter vor, als heute bei gesetzten Jahren. Ist ja ein bischen närrisch, mit sich selbst zu reden, und Jugend ist närrische Zeit, da paßt es, aber später eigentlich nicht mehr. Ich rannt herum, es pochte was in mir, da sprach ich den Halb-Unsinn mit, und es war ein Gedicht.«
    »Ja, Ew. Excellenz, das war ja nun wohl eben, was man die geniale Eingebung nennt.«
    {329} »Meinetwegen. So nennens, dies nicht haben. Später dann müssen Vorsatz und Charakter aufkommen für die närrische Natur, und was sie leisten, ist uns im Grunde verständig-werter. – Läßt du mich endlich? Mußt doch mal fertig werden. Ist schon recht, von dir aus, daß du dein Geschäft für die Hauptsache hältst, müssen aber die Vorbereitungen zum Leben im richtigen Verhältnis bleiben zu ihm selbst.«
    »Seh ich ein, Ew. Excellenz. Es soll aber doch alles nach advenant sein. Schließlich weiß man, wen man unter den Händen hat. – Hier wär der Handspiegel.«
    »Schön, schön. Gieb mir das Kölnisch Wasser für mein Taschentuch! Ah ja, ah gut! Ist eine gar liebliche, belebende Erfindung, gabs schon in Haarbeutels Zeiten, hab mein Leben lang die Nase hineingesteckt. Der Kaiser Napoléon roch auch von oben bis unten danach, – wollen hoffen, daß es ihm auch auf Helena nicht dran mangelt. Die kleinen Beihilfen und Wohlthaten des Lebens, mußt du wissen, werden zur Hauptsache, wenns mit dem Leben selbst und den Heldentaten gar und zu Ende. So ein Mann, so ein Mann. Da haben sie nun seine Unbändigkeit eingeschlossen in unbezwingliche Meeresweiten, damit die Welt Frieden habe vor ihr und wir hier in Ruhe ein bischen kultivieren mögen … Ist auch ganz recht, denn es ist die Zeit der Kriege und Epopöen nicht mehr, der König flieht, der Bürger triumphiert, kommt jetzt ein nützliches Aevum herauf, ihr sollt sehen, daß es mit Geld und Verkehr, Geist, Handel und Wohlstand zu tun hat, wo man denn glauben und wünschen könnte, daß selbst die liebe Natur zur Vernunft gekommen sei und allen verrückten, fieberhaften Erschütterungen für immer abgesagt hätte, damit Frieden und Wohlhaben für immer gesichert wären. Ganz erquickliche Idee, habe garnichts dagegen. Aber wenn man sich einbildet, wies so einem Stück Element zu Mute sein muß, dessen Kräfte in der Stille zwischen Wasserwüsten erstickt werden, so einem gefes {330} selten, an aller That gehinderten Riesen und zugeschütteten Aetna, in dem es kocht und wühlt, ohne daß das feurige Innere mehr einen Ausweg findet, wo du denn wissen mußt, daß zwar die Lava vernichtet, aber auch düngt, – da wirds einem doch gar beklommen zu Sinn, und man fühlt sich zum Mitleid versucht, ob denn schon Mitleid gar kein zulässig Gefühl in solchem Fall. Aber daß er seine Eau de Cologne noch habe, wie ers gewohnt ist, das möcht man doch wünschen. Ich geh hinüber, Carl, sag es Herrn John, er soll sich blicken lassen.«
    – Helena, Sankt Helena, daß Der da sitzt, daß das so heißt, daß ich sie suche, die mein einziges Begehren, so schön wie reizend, wie ersehnt so schön – daß sie den Namen mit des Prometheus Marter-Felsen teilt, die Tochter und Geliebte, die ganz mir und nicht dem Leben, nicht der Zeit gehört, und nach der allein das dichtende Verlangen mich schmiedet an dies lebensgraue, unbezwingbare Werk – ist doch ein wunderlich Ding das Gewebe des Lebens, der Schicksale. – Siehe, die ausgeruhte Arbeitsstätte, morgentlich ernüchtert, neuer Besitzergreifung gewärtig. Da sind die Subsidia, die Hilfsquellen, die Stimulantien, die Mittel zur Eroberung gelehrter Welten zu produktivem Zweck. Wie brennend interessant alles Wissen wird, das ein Werk bereichern und unterbauen mag und zum Spiele taugt. Dem Unzugehörigen verschließt sich der Geist. Aber freilich wirds immer mehr, was dazu gehört, je älter man wird, je mehr man sich ausbreitet, und treibt mans so fort, wirds bald nichts Unzugehöriges mehr geben. Das hier über Mißbildung der Gewächse und Pflanzenkrankheiten muß ich weiter lesen, heut Nachmittag, wenn ich dazu komm, oder abends; die abweichenden Bildungen und das Monstrose sind höchst bedeutend dem Freunde des Lebens, über die Norm belehrt das Pathologische vielleicht am tiefsten, und dir ahnt zuweilen, als möchten von der Seite

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