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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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geschmückt, die Raum bieten für den er {68} frischenden Umgang mit loser gestimmten Musen, deren Gunst mir nicht völlig abgeht – lockte mich über alles. Allein woher die Mittel nehmen zur Fristung der Wartezeit, der Jahre des Anstehens am Thore des Tempels? Mein großes griechisches Wörterbuch – vielleicht ist sein scientifischer Ruf zu Ihnen gedrungen – ich förderte es anno 4 zu Jena heraus – beschäftigte mich schon damals. Brotlose Meriten, Madame. Sie mir zu erwerben, ließ die Hauslehrerstelle mir Muße, die Wolf mir bei den Kindern des eben nach Rom abgehenden Herrn von Humboldt verschaffte. In diesem Verhältnis verbrachte ich einige Jahre in der Ewigen Stadt. Dann kam eine weitere Empfehlung: die meines diplomatischen Brotherrn an seinen illustren Freund in Weimar. Es war der Herbst des Jahres 3, – denkwürdig für mich, denkwürdig immerhin vielleicht auch dereinst für die intimere Geschichte der deutschen Literatur. Ich kam, ich präsentierte mich, ich flößte Vertrauen ein, die Aufforderung zum Eintritt in die Hausgenossenschaft am Frauenplan war das Ergebnis meiner ersten Unterredung mit dem Heros. Wie hätte ich ihr nicht folgen sollen? Mir blieb keine Wahl. Es bot sich mir keine bessere, keine andere Aussicht. Ein Schulamt erachtete ich, mit Recht oder Unrecht, als unter meiner Würde, unter meinen Gaben …«
    »Aber, Herr Doktor, versteh' ich Sie recht? Sie müssen sehr glücklich gewesen sein über eine Versorgung und Tätigkeit, die jede andere, nicht nur jedes Schulamt, an Ehre und Reiz so weit überglänzte!«
    »Ich war es, Verehrteste. Ich war sehr glücklich. Glücklich und stolz. Bedenken Sie: die tägliche Berührung, der tägliche Umgang mit einem solchen Manne! Einem Manne, dessen inkalkulables Genie zu ermessen ich selber Poet genug war. Ich hatte ihm Proben meines Talentes vorgelegt, die ihm gelinde gesagt – und selbst wenn ich von seinem Urteil in Abzug bringe, was etwa davon auf Rechnung seiner eigentümlichen Kon {69} zilianz zu setzen war – nicht mißfallen hatten. Glücklich? Ich war es auf das Aeußerste! Zu welcher bemerkten, ja beneideten Position in der gelehrten und vornehmen Welt hob mich nicht auf einmal diese Verbindung empor! Allein, lassen Sie mich offen sein, es blieb da ein Stachel, – der Stachel, daß mir eben eine andere Wahl nicht blieb. Ist es nicht so, daß die Notwendigkeit dankbar zu sein uns leicht die Dankbarkeit ein wenig verleidet? Sie beraubt sie gewissermaßen der Freudigkeit. Seien wir ehrlich: Wir neigen zur Empfindlichkeit gegen den, der uns zu höchstem Danke verpflichtet, indem er von unserer Zwangslage zu seinem Vorteil Gebrauch macht. Er ist an ihr unschuldig, das Schicksal, die ungleiche Verteilung der Glücksgüter ist verantwortlich für sie, aber er macht Gebrauch von ihr … Man muß das empfunden haben … Aber, liebste Madame, verlieren wir uns nicht in dergleichen Moralitäten! Die Sache, die für mich so ehrend erhebende Sache war jedenfalls die, daß unser großer Freund mich glaubte brauchen zu können. Formell war mein Auftrag wohl der, den Unterricht seines August, des einzig am Leben gebliebenen Kindes der Demoiselle Vulpius, im Griechischen und Lateinischen über mich zu nehmen, aber obgleich es damit freilich bisher gar sehr im Argen gelegen hatte, erkannte ich bald, daß dieser Aufgabe bestimmt war, hinter der soviel schöneren und bedeutenderen des Dienstes an der Person und dem Werke des Vaters als recht unwesentlich zurückzutreten. Das war zweifellos von Anfang an die Meinung gewesen. Allerdings kenne ich den Brief, den der Meister damals an meinen Lehrer und Gönner in Halle schrieb und worin er mein Engagement mit seiner Sorge wegen der mangelhaften Kenntnisse des Knaben auf klassischem Gebiet begründete, einem Übel, wie er sich ausdrückte, dem er nicht abzuhelfen gewußt habe. Aber das war Höflichkeit gegen den großen Philologen. In Wirklichkeit hält unser Meister wenig von einer schulgerecht systematischen Bildung und Erziehung, sondern {70} ist geneigt, es der Jugend zu überlassen, den natürlichen Wissenstrieb, den er ihr zutraut, in möglichster Freiheit zu befriedigen. Da haben Sie wieder seine Läßlichkeit, sein Gewährenlassen, worin Güte liegen mag, ich verkenne es nicht, Großzügigkeit, Souveränität, wohlwollende Parteinahme für die Jugend gegen Schulfuchserei und Pedanterei, ich will das zugeben; aber doch auch anderes noch kommt darin vor, was weniger erfreuen kann, –

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