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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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mißbilligen. Da weiß man sich im Besitz eines ernstlich erarbeiteten – und um des Besitzes willen erarbeiteten – Wissens, gediegener Kenntnisse, über die man sich mehrfach in rigorosen Prüfungen auszuweisen in die Lage kam, – um die eigentümlich herrliche, wiewohl auch bitter belachenswerte Erfahrung zu machen, daß ein so geprägter und gesegneter Geist, ein solcher Geist des Wohlgefallens einem lückenhaften Bruchteil davon, der ihm irgendwie anflog, oder den man ihm selber geliefert hat – denn so ist es: man dient ihm als Wissenslieferant –, eben mittelst Anmut {75} und Form – aber das sind nur Worte – nein, einfach dadurch, daß er es ist, der das Aufgefangene wieder von sich gibt, – daß er ihm, sage ich, gleichsam durch die Zutat seinerselbst und indem er ihm sein Bildnis aufdrückt, den doppelten und dreifachen Münzwert verleiht als Welt und Menschheit der ganzen Masse unserer Stubengelehrsamkeit je beigelegt hätten. In der Tat, andere schuften, schürfen, läutern und horten; aber der König schlägt Dukaten daraus … Dies Königsrecht, was ist es? Man spricht von Persönlichkeit – er selbst spricht mit Vorliebe davon, bekanntlich hat er sie das höchste Glück der Erdenkinder genannt. Das ist so eine Entscheidung von ihm, die denn also nun für die Menschheit bedingungslos Geltung haben soll. Eine Bestimmung ist es übrigens nicht, es ist zur Not eine Beschreibung; und wie sollte man ein Mysterium auch bestimmen? Ohne Mysterien kommt offenbar der Mensch nicht aus; hat er an den christlichen den Geschmack verloren, so erbaut er sich an dem heidnischen oder Natur-Geheimnis der Persönlichkeit. Von jenen will unser Geisterfürst nicht gar viel wissen; Dichter und Künstler, die sich mit ihnen einlassen, müssen auf seine Ungnade gefaßt sein. Dieses aber hält er sehr hoch, denn es ist das seine … Das höchste Glück, – allerdings, für nichts Geringeres muß das Geheimnis uns Erdenkindern wohl gelten, es wäre sonst nicht zu erklären, daß wirkliche Gelehrte und Männer der Wissenschaft es nicht nur nicht für Raub, sondern für freudigste Ehre erachten, sich um den Schönen Genius, den Mann der Anmut zu scharen, seinen Stab und Hofstaat zu bilden, ihm Wissen zuzutragen, seine lebenden Lexika zu machen, die sich ihm zur Verfügung halten, damit er selbst sich nicht mit Wissenskram zu schleppen braucht, – nicht zu erklären, daß ein Mann wie ich sich mit seligem Lächeln, das mich selbst manchmal blöde anmuten will, Jahr für Jahr dazu hergibt, ihm gemeine Schreiberdienste zu leisten …«
    »Erlauben Sie, bester Herr Professor!« unterbrach ihn Char {76} lotte, die sich keine Silbe entgehen ließ, mit Bestürzung. »Sie wollen nicht sagen, daß es wirklich nur untergeordnete und Ihrer unwürdige Kanzlistendienste waren, die Sie durch so lange Zeit bei dem Meister versehen haben?«
    »Nein«, antwortete Riemer nach einer Pause der Sammlung. »Das will ich nicht sagen. Wenn ich es gesagt habe, so bin ich zu weit gegangen. Man soll die Dinge nicht überspitzen. Erstens haben die Liebesdienste, die man einem großen und teuren Menschen zu leisten gewürdigt ist, gar keine Rangordnung. Da ist einer so hoch und gering wie der andere. Davon reden wir nicht. Ferner aber ist, ihm nachzuschreiben, überhaupt kein passendes Geschäft für einen gewöhnlichen Federfuchser. Es ist durchaus zu schade für einen solchen. Irgend einen Sekretär Kräuter oder gar den Bedienten damit zu befassen, heißt recht eigentlich Perlen vor die Säue werfen, – den Gebildeten, den Mann von Geist und Sinn wandelt notwendig dabei die edelste Mißgunst an. Nur einem solchen, nur einem Gelehrten wie mir also, der die Situation nach ihrem ganzen Reiz, ihrer ganzen Wunderbarkeit und Würde zu schätzen weiß, kommt es zu, ein derartiges Geschäft zu versehen. Dies strömende und dramatische Diktat der geliebten, sonoren Stimme, diese stundenlang ununterbrochene, höchstens vor drängender Überstürzung stockende Hervorbringung, die Hände auf dem Rücken und den Blick in eine gesichtevolle Ferne gerichtet, dies herrscherhafte und gleichsam freihändige Beschwören des Wortes und der Gestalt, ein Walten im Geisterreich von absoluter Freiheit und Kühnheit, dem man mit dem hastig benetzten Kiele unter vielen Kürzungen nacheilt, sodaß nachher eine schwierige Mundierungsarbeit zu leisten bleibt, – Verehrteste, man muß es kennen, man muß es mit Staunen genossen haben, um eifersüchtig zu

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