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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Demoiselle Schopenhauer, während zuweilen etwas Feuchtigkeit in die Winkel ihres breiten, gescheiten Mundes trat, ihre Eröffnungen wie folgt.

{150} Fünftes Kapitel
    Adele's Erzählung
    »Von väterlicher Seite entstammt meine Ottilie einer holsteinisch-preußischen Offiziersfamilie. Die Heirat ihrer Mutter, einer Henckel von Donnersmarck, mit Herrn von Pogwisch war ein Bund der Herzen, an welchem leider die Vernunft zu wenig Anteil gehabt hatte. Wenigstens war das die Meinung von Ottiliens Großmutter, der Gräfin Henckel, einer Edelfrau des Schlages, wie das verflossene Jahrhundert ihn wohl hervorbrachte: von nüchtern-resolutem Verstande, der kein Federlesens machte, geistreich auf eine kaustisch-derbe, allen Flausen abholde Art. Sie war der so schönen wie unbesonnenen Folge, die ihre Tochter dem Gefühle gegeben, immer entgegen gewesen. Herr von Pogwisch war arm, die Henckels dieses Zweiges waren es auch, – was denn der Grund gewesen sein mochte, daß die Gräfin zwei Jahre vor der Schlacht von Jena in Weimarische Dienste getreten und Oberhofmeisterin bei unserer jungvermählten Fürstin aus dem Osten, der Erbprinzessin geworden war. Einen ähnlichen Posten erstrebte sie für ihre Tochter und durfte ihn ihr in Aussicht stellen, indem sie zugleich mit aller Macht die Auflösung einer Ehe betrieb, deren Glück in immer wachsenden materiellen Kalamitäten zu ersticken drohte. Die geringe Besoldung des preußischen Offiziers von damals machte eine standesgemäße Lebensführung unmöglich, der Versuch, sie auch nur leidlich aufrecht zu erhalten, führte zu immer schwereren pekuniarischen Unstatten, – und kurz, die Zermürbung der Ehegatten ließ die Wünsche der Mutter triumphieren: die Trennung, das Auseinandergehen nach gütlicher Übereinkunft, wenn auch vorderhand ohne gerichtliche Scheidung, wurde beschlossen.
    In das Herz des Gatten, des Vaters, der zwei liebliche kleine {151} Mädchen, Ottilie und ihr jüngeres Schwesterchen Ulrike, bei der Gefährtin seiner Nöte zurückließ, hat niemand geblickt. Die Furcht, aus dem geliebten und angestammten, ihm einzig möglichen Soldatenberuf geworfen zu werden, mag ihm den traurigen Entschluß abgerungen haben. Die Seele der Frau blutete, und es ist wahrscheinlich nicht zuviel gesagt, daß sie seit jener Kapitulation vor der Notwendigkeit und dem Drängen einer mit dieser im Bunde stehenden Mutter keine glückliche Stunde mehr gehabt hat. Die Mädchen angehend, so blieb das Bild des Vaters, der ein schöner, ritterlicher Mann gewesen war, unauslöschlich in ihre Gemüter eingezeichnet, besonders in das tiefere und romantischere der Aelteren: Ottiliens ganzes Empfindungsleben und inneres Verhalten zu den Ereignissen und Gesinnungsfragen der Zeit blieb, wie Sie sehen werden, auf immer von der Erinnerung an den Entschwundenen bestimmt.
    Frau von Pogwisch verbrachte nach der Trennung einige Jahre mit ihren Töchtern in stiller Zurückgezogenheit zu Dessau und erlebte dort die Tage der Schmach und Schande, das Désastre der Armee Friedrichs des Großen, den Untergang des Vaterlandes, die Eingliederung der süd- und westdeutschen Staaten in das Machtsystem des furchtbaren Corsen. Anno 1809 siedelte sie, da die alte Gräfin ihr Versprechen der Beschaffung eines Hofamtes hatte wahr machen können, in der Eigenschaft einer Palastdame Serenissimae, der Herzogin Luise zu uns nach Weimar über.
    Ottilie zählte damals dreizehn Jahre, ein Kind von der lieblichsten Begabung und Ursprünglichkeit. Ihre Entfaltung vollzog sich in einiger Unruhe und Unregelmäßigkeit, denn Fürstendienst ist der häuslichen Ordnung nicht eben zuträglich, und bei der höfischen Gebundenheit der Mutter waren die Mädchen viel sich selbst überlassen. Ottilie logierte anfangs im Obergeschoß des Schlosses, dann bei ihrer Großmutter. Sie verbrachte ihre Tage abwechselnd bei der Mutter, bei der alten {152} Gräfin, bei allerlei Unterricht und bei Freundinnen, zu denen ich, die ein wenig Aeltere, bald gehörte. Denn des Oefteren nahm sie ihre Mahlzeiten bei der Oberkammerherrin von Egloffstein, mit deren Töchtern ich auf dem herzlichsten Fuße verkehrte, und dort fanden wir uns zu einem Bunde der Seelen, dessen Alter uns nicht nach seinen Jahren berechnet werden zu dürfen scheint; denn es waren Jahre bedeutsamen Lebensfortschritts, und während seiner Dauer sind wir aus unflüggen Nesthäkchen zu erfahrenen Menschenkindern geworden. In gewisser Beziehung übrigens – die Zärtlichkeit macht

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