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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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erfahren, und zwischen tief besorgter Freundschaft und wahrer Liebe habe das Leben sie nun die Unterscheidung gelehrt. Meine Freude darüber wurde nur durch die Erwägung gedämpft, daß Heinke nicht von Adel, sondern ganz einfach der Sohn eines schlesischen Pelzhändlers und also durchaus keine Partie für Ottilie von Pogwisch war. Ob allein das Bewußtsein hievon ihn bestimmte, an seiner flotten Freundlichkeit gegen sie so strickte festzuhalten, war eine besondere Frage.
    Da während Heinkes Besserung die gesellige Jahreszeit zu Ende ging, die Komödie zwar noch offenhielt, aber der Hof aufhörte, die Einladungen und Bälle, deren Matadore zuletzt {182} die französischen Offiziere gewesen, spärlicher wurden, so sahen wir August seltener als zur Winterszeit; allein die Begegnungen, die Spaziergänge und Rendez-vous' mit ihm in den Gärten waren nicht ganz unterbrochen worden, obgleich die Abwesenheit seines Vaters seine Geschäftslast erhöhte; und wenn aus Ferdinands Geschichte sonst ein sorgfältiges Geheimnis gemacht wurde und niemand außer den Eingeweihten und Mittätigen von dem Dasein unseres Findlings in seinem Dornröschenstübchen etwas wußte, so fühlte Ottilie sich doch gehalten, dem Kammer-Assessor Bericht davon abzulegen – aus Pflicht der Freundschaft und des Vertrauens gewiß vor allem, aus einer gewissen Neugier zugleich aber auch, so schien mir, wie er die Nachricht unseres Abenteuers aufnehmen, was in seiner Miene dabei vorgehen werde. Sein Verhalten war gleichmütig, ja spöttisch, besonders nachdem er sich wie von ungefähr nach Heinkes Familie erkundigt und erfahren hatte, daß er bürgerlich sei; es ließ auf so geringe Wißbegier und Teilnahme schließen, deutete vielmehr so entschieden auf den Wunsch, die Sache von sich abzuhalten, daß hinfort nur selten, obenhin und kurz abbrechend zwischen ihm und uns davon die Rede war und August über das glückliche Aufkommen unseres Helden, seinen ferneren, nur kurzen Aufenthalt in der Stadt und sein vorläufiges Wiederentschwinden in gewollter Unwissenheit oder Halbkenntnis blieb.
    Ich habe mit diesen Worten dem Gang der Dinge schon vorgegriffen. Bälder als gedacht konnte Ferdinand zeitweise sein Bett verlassen und im hohen Kämmerchen umherstapfend am Invalidenstock die Beweglichkeit seines Beines üben; die freundliche Jahreszeit, die freilich nur durch ein Mansardenfenster Zutritt in sein Schutzgefängnis hatte, tat das Ihre, ihn zu fördern und zu beleben, und um ihn in freiere Berührung mit ihr zu bringen, ward ein Quartierwechsel veranstaltet: Ein Vetter des Kastellans, der am Kegelplatz hinterm Marstall eine {183} Schusterei betrieb, war bereit, dem Rekonvaleszenten ein Zimmer zu gleicher Erde bei sich einzuräumen, und wohlgestützt siedelte dieser eines ersten Juni-Tages aus seinem romantischen Versteck dorthin über, wo er auf einer Bank am nahen Flusse sich sonnen und über die Brücke bequem das Grüne und Freie, das Schießhaushölzchen, die Tiefurter Allee gewinnen konnte.
    Uns war damals eine Ruhepause in den Welthändeln beschieden, jener Waffenstillstand, der nur bis in den Hochsommer dauern sollte, – ich sage nicht: leider, denn was nachher kam, führte ja, wenn auch durch grasse Schrecknisse und unendliches Leid hindurch, zu Ruhm und Freiheit. Das Leben in unserer Stadt, war trotz fortdauernder Einquartierungslast, mit der man sich leidlich abgefunden, recht gemach unterdessen. Eine mäßige Geselligkeit nahm in den frühen Sommer hinein ihren Fortgang, und in schlichtem Civilkleid nahm unser Krieger, dessen Wangen sich zusehens füllten und röteten, mit gebotener Vorsicht daran teil: Bei meiner Mutter sowohl und der Ottiliens wie auch bei Egloffsteins, im Salon der Frau von Wolzogen und an einigen weiteren Orten verbrachten wir manche heitere und dabei tiefgefühlte Stunde mit dem ob seiner Jugendhübschheit und ritterlichen Schlichtheit überall mit herzlicher Neigung und Bewunderung aufgenommenen jungen Helden. Dr. Passow namentlich, war Feuer und Flamme für ihn, weil er, seinem Schul-Ideale gemäß, die Verkörperung hellenischer Schönheit im Verein mit vaterländischem Freiheitsheroismus in ihm erblickte – mit vielem Recht; nur ging er als Mann für meinen Geschmack in der Verehrung unseres Jünglings etwas weit und ließ mich, nicht zum ersten und letzten Mal die Bemerkung anstellen, daß der kriegerische Nationalgeist in Beziehung steht zu einem uns Frauen denn doch nicht erfreulichen erhöhten Enthusiasmus

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