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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Produktion, all seiner Verhältnisse einzulassen, würde seine Lage unerträglich, sie würde sein Dasein unmöglich machen. Es war unverhältnismäßig, aber er warf sein Dasein in die Wagschale, – ein gewaltiges Dasein: die Schale, in die es fiel, mußte tief hinabgedrückt werden, und der Minister, der Herzog beeilten sich, ihm zu willfahren. Nicht gerade, daß August seinen Namen von der Liste der Freiwilligen wieder löschen sollte, – das ging ehren- und schandenhalber nicht an. Was aber Voigt in Vorschlag brachte und was Serenissimus, nicht ohne Mundverziehen über Augusts Bereitwilligkeit darauf einzugehen, genehmigte, das war, daß der junge Herr vorderhand einmal mit Kammerrat Rühlmann zu den Verhandlungen über die militärischen Verpflegungsgelder nach Frankfurt, dem Hauptquartier der Verbündeten gehen, zurückgekehrt aber beim Erbprinzen Karl Friedrich, dem nominellen Chef der Freiwilligen, einen ebenso nominellen Adjutantendienst versehen und seinem Vater zur Verfügung bleiben sollte.
    {198} So geschah es, – und Gott sei's geklagt, daß es also geschah! Zu Neujahr ging August nach Frankfurt, damit er nur nicht in Weimar wäre an dem Tage – es war Ende Januar 14 – da in der Stadtkirche seine Standesgenossen, die Jäger zu Fuß und zu Pferd, vereidigt wurden, und eine Woche nach ihrem Abmarsch gen Flandern kehrte er zurück, um sich zum Adjutantendienst beim Prinzen zu melden. Er legte, wie dieser, Jäger-Uniform dazu an, und das nannte sein Vater ›dem Hifthorn folgen‹. ›Mein Sohn ist dem Hifthorn gefolgt‹, erklärte er und tat, als sei alles in schönster Ordnung. Ach, leider, das war es nicht. Das Achselzucken über den Vierundzwanzigjährigen, der zu Hause blieb, war ganz allgemein, und jedermann tadelte einen Vater, der nicht allein selbst das neue patriotische Leben des deutschen Volkes so garnicht teilte, sondern auch den Sohn zur Absonderung zwang. Die Schiefigkeit von dessen Stellung zu seinen Gesellen, den anderen Inskribierten, die draußen Gefahren ertrugen, war von vornherein klar. Heimgekehrt, waren sie zu seinen Amts- und Lebensgenossen bestimmt. War ein reines Verhältnis zwischen ihm und ihnen denkbar? Würden sie ihm Achtung, ihm Kameradschaft gewähren wollen? Der Vorwurf der Feigheit lag in der Luft – – und hier muß ich doch eine gefühlte Bemerkung einschalten über des Lebens Ungerechtigkeit und darüber, wie es bei Einem recht und natürlich sein läßt, was es beim Andern als unnatürlich verpönt und rächt, – was aber freilich wohl auf der Verschiedenartigkeit der Menschen und darauf beruht, daß aus tiefen persönlichen Gründen, welche unser sittliches und aesthetisches Urteil bestimmen, dem Einen keineswegs recht ist, was dem Anderen billig, vielmehr beim Einen als peinliche Verzerrung erscheint, was man dem Anderen als ganz gemäß und selbstverständlich hingehen läßt. Ich habe einen Bruder, verehrte Frau, Arthur mit Namen, – er ist ein junger Gelehrter, ein Philosoph, – nicht von Hause aus, er war zum Geschäftsmann bestimmt und hatte {199} denn also manches nachzuholen: ich ließ schon einfließen, daß er bei Dr. Passow in die griechische Schule ging. Ein guter Kopf, ohne Zweifel, wenn auch ein wenig bitter in seinem Urteil über Welt und Menschen, – ich kenne Leute, die ihm eine große Zukunft verheißen, und wer ihm die größte verheißt, das ist er selbst. Nun denn: mein Bruder war auch von der Generation, die ihre Studien fahren ließ, um sich in den Kampf zu werfen fürs Vaterland, – aber keine Seele mutete es ihm zu, niemand dachte auch nur daran, daß er's tun könnte und zwar aus dem eigentümlichen Grunde, weil, wer am wenigsten, wer schon ganz und garnicht daran dachte, Arthur Schopenhauer war. Er gab Geld her für die Ausrüstung der Freiwilligen; mit ihnen zu ziehen, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, mit der größesten Natürlichkeit überließ er das jener Menschenart, die er ›die Fabrikware der Natur‹ zu nennen pflegt. Und niemand wunderte sich. Der Gleichmut, mit dem die Menschen sein Verhalten hinnahmen, war vollkommen, er unterschied sich durch nichts von der Gutheißung, und nie ist mir klarer geworden, daß, was uns sittlich, uns aesthetisch beruhigt, uns Billigung abnötigt, die Harmonie, die Stimmigkeit ist.
    Über die nämliche Handlungsweise war in Augustens Fall des skandalisierten Naserümpfens kein Ende. Ich höre noch unsere liebe v. Stein: ›Der Goethe hat seinen Sohn nicht wollen mit

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