Lotterie der Liebe
war der Raum warm und hell. Sparsamkeit wurde hier nicht praktiziert. Ihr Bruder, der eine leere Cognacflasche und ein Holzkistchen mit Spielmarken neben sich stehen hatte, saß lässig und mit gerötetem Gesicht im Sessel und hielt den Würfelbecher in der Hand.
Amy kannte zwei der Gäste. Lord Humphrey Dainty, dem der Schweiß auf der Stirn stand, hatte seinen Mantel verkehrt herum an und war so betrunken, dass er Gefahr lief, aus dem Sessel zu rutschen. Mr. Albert Hallam trug einen breitkrempigen Strohhut, der mit weitaus mehr Bändern und Blümchen verziert war als jede Kopfbedeckung, die Amy besaß. Sie schüttelte leicht den Kopf. Die Mutter war schon abergläubisch, aber die lächerlichen Rituale von Kartenspielern waren noch absurder. Mr. Hallam schien nicht aufzufallen, dass seine Vorsichtsmaßnahmen ihm nie zum gewünschten Erfolg verhalfen.
Amy ließ den Blick zu den beiden anderen, ihr unbekannten Herren schweifen. Einer war hoch gewachsen und blond, machte einen sympathischen Eindruck und schien etwas nüchterner zu sein als die übrigen Herren. Der durch die offene Tür dringende Windzug brachte die Kerzenflamme ins Flackern, und genau in diesem Moment schaute der andere Fremde auf. Sein Blick verweilte auf Amys Gesicht. Amy erschrak leicht, nicht nur, weil seine Augen einen ungewöhnlichen braunen Farbton hatten, sondern weil er sie betrachtete. Sie war daran gewöhnt, dass die Leute sich nicht für sie interessierten. Der Fremde jedoch musterte sie nachdenklich und zog leicht die Brauen hoch. Sie raffte den Schal fester um sich und hoffte, möglichst unscheinbar zu wirken.
Es fiel ihr schwer, den entspannt im Sessel sitzenden Mann nicht anzustarren. Er war älter als ihr vierundzwanzigjähriger Bruder, vielleicht um die dreißig, hatte den Gehrock ausgezogen und ein Bein über das andere geschlagen. Er besaß ein perfekt geschnittenes Gesicht und war zweifellos der attraktivste Mann, der ihr je vor die Augen gekommen war. Im Gegensatz zu den anderen Spielern lagen neben ihm ein großer Haufen Goldmünzen und mehrere Spielmarken auf dem Tisch.
Er lächelte Amy an und strich sich das Haar aus der Stirn. Missbilligend furchte Amy die Stirn. Es lag ihr fern, einen der Spieler dazu zu ermutigen, ihr Aufmerksamkeit zu schenken.
Richard stellte eine weitere Flasche Cognac auf den Tisch. “Schenkt euch nach! Ihr beide hinkt hinterher!” Die Flasche wackelte und wäre beinahe umgefallen. Richard schaute auf, bemerkte Amy und grinste. Sein rötliches Haar schimmerte im Kerzenlicht, und mit seinen blauen Augen lachte er sie an.
“Was willst du hier, Amy? Möchtest du wissen, wie viel ich schon verloren habe? Tallant ist schuld an meinen Verlusten. Er hat eine Glückssträhne.”
Amy riss den Blick von dem Fremden mit dem kastanienbraunen Haar los, lächelte höflich und ging langsam weiter ins Zimmer. Die Mutter hatte ihr gesagt, das Buch läge auf der Fenstersitzbank. Die dicken roten Portièren waren jedoch zugezogen, sodass Amy nicht erkennen konnte, welches Fenster die Mutter gemeint hatte. Richards Gäste wurden jetzt auf sie aufmerksam, und das war ihr unangenehm. Lord Humphrey Dainty legte den Kopf auf den Arm und murmelte: “Ihr Diener, Miss Bainbridge. Ihr Diener, Madam.” Mr. Hallam sprang auf und wäre, als er sich verbeugte, fast vornüber gestürzt. Amy streckte die Hand aus und drückte ihn sanft in den Sessel zurück. Sie kannte ihn seit der Kindheit. In den vergangenen sieben Jahren hatte er ihr in regelmäßigen Abständen einen Heiratsantrag gemacht. Daher hielt sie es für überflüssig, die Form zu wahren.
“Guten Abend, Miss Bainbridge. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?”
Der blonde Herr, der rechts neben Richard saß, war aufgestanden und verneigte sich. Sein Blick war belustigt, und irgendwie fand Amy ihn sympathisch. Das war ihr nicht recht, denn die Bekannten ihres Bruders waren alle Taugenichtse und Tunichtgute, die nichts Positives für sich ins Feld zu führen hatten. Dennoch erwiderte sie sehr schüchtern das Lächeln des Gentleman.
“Vielen Dank, Sir. Meine Mutter hat hier ein Buch vergessen und meint, nicht einschlafen zu können, wenn sie es nicht hat.”
“Auf der Fensterbank hinter dir liegt eins, Sebastian”, sagte der Mann mit den kastanienbraunen Haaren. “Es ist mir aufgefallen, als ich ins Zimmer kam.”
Er machte keine Anstalten, bei der Suche zu helfen, sondern lehnte sich im Sessel zurück und beobachtete die anderen Anwesenden mit leicht
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