Lotterie der Liebe
dieses Mädchen”, meinte Sebastian. “Schade, dass sie sich in ihrer ersten Saison keinen Ehemann angeln konnte. Es überrascht mich jedoch nicht, dass sie keinen gefunden hat. Sie ist viel zu still und unscheinbar. Ich gebe zu, dass ich nichts an vertrocknenden Jungfrauen finde, auch wenn ich nicht daran zweifle, dass die Mutter Oberin sie als bemerkenswerte Neuheit anpreisen würde.”
Eine Kutsche rollte vorbei. “Miss Bainbridge war immer sehr schüchtern”, erwiderte Jonathan, und es überraschte ihn, dass er einen Anflug von Mitgefühl empfand. Normalerweise verschwendete er nie einen Gedanken an farblose junge Damen, und Miss Bainbridge war zweifellos eine von ihnen. Das hatte er vorhin festgestellt und sie sich aus dem Sinn geschlagen. “Man hat sie als Langweilerin bezeichnet.”
“Ja, ich erinnere mich”, sagte Sebastian lachend. “Sie hat nie etwas geäußert, sodass manche Leute sie für einfältig hielten. Sie hatte eine hübsche blonde Freundin, die Amanda oder so hieß. Ich wüsste gern, was aus der geworden ist.”
“Du meinst Lady Amanda Spry, die früher Makepeace hieß. Sie ist jetzt Sir Frank Sprys Frau. Ich glaube, er hat in Irland ein Gut.”
Sebastian starrte den Freund an. “Donnerwetter, Jonathan. Du klingst wie Debrett! Ich hatte keine Ahnung, das du ein enzyklopädisches Gedächtnis hast!”
“Was glaubst du, weswegen ich so oft gewinne?”, fragte Jonathan lakonisch. “Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nur daran, weil Juliana und Lady Amanda befreundet sind. Wie ich hörte, ist Lady Spry vor Kurzem Witwe geworden und jetzt wieder in der Stadt. Vielleicht solltest du einmal bei ihr vorbeischauen. Sie ist ein hübsches kleines Ding.”
“Wie ergeht es deiner schönen Schwester?”, fragte Sebastian grinsend. Falls es überhaupt jemanden gab, der Jonathan beim Spiel übertreffen konnte, dann war das Lady Juliana Myfleet.
“Oh, nicht anders als sonst”, antwortete Jonathan. “Hohe Einsätze, schlechte Gesellschaft. Sie hat sich mit Clive Massingham eingelassen.”
Scharf sog Sebastian die Luft ein. “Diese Vorstellung erzeugt mir einen unangenehmen Geschmack im Mund. Mr. Massingham ist kein guter Umgang.”
Unbehaglich zuckte Jonathan mit den Schultern. “Ich stimme dir zu, kann jedoch leider nichts gegen diese Beziehung unternehmen. Juliana geht ihre eigenen Wege, und ich bilde mir nicht ein, großen Einfluss auf sie zu haben, wenngleich sie mir zumindest zuhört. Aber ich kann auch nicht den Moralisten spielen”, fügte er in leicht verbittertem Ton hinzu. “Das wäre absurd. Gestern habe ich meinen Vater getroffen und dachte, er würde mit Juliana und mir brechen. Es ist völlig offen, gegen wen er mehr eingenommen ist, meine Schwester oder mich.”
Sebastian schmunzelte. “Er hat dir damit gedroht, dich zu enterben, nicht wahr?”
Erneut zuckte Jonathan mit den Schultern. “Ich nehme an, das ist nur natürlich, da ich seinen in mich gesetzten Erwartungen so gar nicht entspreche. Er will, dass ich heirate und einen Erben zeuge. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Gedanken verlockend finde. Frauen aus guter Familie sind alle gleich – Musterexemplare der Geistlosigkeit. Nun ja, ich könnte vielleicht eine Spielerin heiraten.”
“Warum nicht eine Hure”, warf Sebastian trocken ein. “Die schöne Harriet würde jedem vornehmen Mann halt zur Zierde gereichen.”
Man war beim Covent Garden angekommen. Zwei leichte Mädchen, die aus einer Seitengasse gekommen waren, beäugten die Herren neugierig und mit lüsternem Glanz in den Augen.
“Schlimm, wirklich sehr schlimm”, sagte Sebastian und schüttelte trübselig den Kopf.
Im Gegensatz zu dem Erscheinungsbild der beiden Nachtschattengewächse war der Eingangsbereich des von Mutter Bernadette geleiteten Etablissements der Inbegriff geschmackvollen Prunks und vermittelte den Eindruck eines perfekten Bordells. Die Oberin persönlich erschien und begrüßte die Gentlemen freudig. Sie war eine attraktive Frau unbestimmbaren Alters, die sich gut gehalten hatte und den Ruf genoss, Qualität und ständig neue Anreize zu bieten.
“Es ist mir ein Vergnügen, meine Herren, Sie wiederzusehen.” Sie geleitete die Besucher die mit einem vergoldeten Geländer versehene Marmortreppe hinauf. “Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn, das ich Ihnen heute offerieren kann?”
“Etwas, was ich noch nicht kenne, wenn ich bitten darf, Madam”, antwortete der Duke of Fleet und unterdrückte ein Gähnen. “Ich mag
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