Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
»Ich werde dir helfen, in meinem Teich herumzuwühlen!« Er schlug dem Jungen mit der Faust ins Gesicht, so daß dieser ins Gras fiel. Die anderen hörten sofort auf, das Unkraut auszurupfen und sahen die beiden mit großen Augen an. »Macht, daß ihr weiterarbeitet«, befahl Philip ihnen hitzig. »Und du, Benny, laß die Finger von meinem Teich.«
Benny stand langsam auf. Er hatte die kleinen Hände zu Fäusten geballt und atmete schwer.
»Vorwärts, zieh das Unkraut aus!« herrschte Philip ihn an.
Der Junge bückte sich, um das Büschel aufzuheben, das er hatte fallen lassen.
Judith erhob sich.
»Phil!« rief sie.
Aber sie mußte zweimal rufen, bevor er über die Schulter sah.
»Mam?« fragte er gedehnt.
»Komm hierher, Phil!«
»Warte noch einen Augenblick! Ihr müßt auch das Unkraut ausziehen, das eben erst aufgekeimt ist. Das wächst sehr schnell nach.«
»Komm hierher, Phil!« wiederholte Judith.
Unwillig gehorchte er. »Was willst du von mir?« fragte er, als er zur Treppe kam.
Sie legte die Hände auf seine Schultern.
»Phil, wie oft habe ich dir schon gesagt, daß du keinen Neger schlagen darfst?«
Er senkte den Blick. »Ja aber, Mam, ich habe Benny doch gesagt, er soll nicht in den Teich fassen! Meine Fische sterben, wenn er sie immer anfaßt.«
»Das hat nichts damit zu tun, Phil. Ich schäme mich, daß ich einen Sohn habe, der einen Negerjungen schlägt. Du weißt doch, daß der sich nicht wehren kann.«
Phil verzog ärgerlich den Mund.
»Wenn du dich nicht ordentlich aufführst und die Dienstboten nicht richtig behandeln kannst, Phil, dann hast du auch kein Recht auf ihre Hilfe. Ich schicke die Jungen jetzt nach Hause, und du gehst in dein Zimmer und bleibst dort, bis ich dir sage, daß du wieder herauskommen darfst.«
»Ach, Mutter, tu das doch nicht! Ich will ja auch Benny sagen, daß es mir leid tut. David schenkt mir doch keine bunten Fische mehr, wenn ich den Teich nicht sauberhalte. Das hat er heute noch gesagt.«
»Du kannst das Unkraut auch morgen früh entfernen. Aber du darfst keinen der Negerjungen holen, daß er dir hilft. Geh jetzt hinein!«
»Ach, wie garstig!« Philip stieß ärgerlich mit dem Fuß nach einem Grasbüschel.
»Geh hinein, Phil!«
Widerwillig gehorchte er.
Judith ging über den Rasen zu dem Teich und sagte den Negerkindern, daß sie nach Hause gehen sollten. Der Junge, den Philip geschlagen hatte, lehnte trotzig an einem Baum. Er hatte ein Blatt von einer Dschungelpalme abgerissen und zerpflückte es. Während die anderen fortliefen, wandte sie sich an ihn.
»Heißt du Benny?«
Er sah zu ihr auf und machte unwillkürlich eine kleine Verbeugung. »Ja, Missis.« Sein Gesicht hatte sich in hilflosem Ärger verzogen.
Judith legte eine Hand auf seinen Arm.
»Es war nicht recht von dir, daß du die Fische aufscheuchtest, obwohl Master Philip dir gesagt hatte, daß du es nicht tun solltest, Benny. Aber es tut mir leid, daß er dich geschlagen hat. Das wird er nicht wieder tun.«
Benny sah immer noch zu Boden, während er das Palmenblatt weiter zerpflückte.
»Was tust du überhaupt beim Herrenhaus?« fragte Judith. »Gehörst du nicht zu den Leuten, die auf den Feldern arbeiten?«
»Ja, Mäm. Ich habe die Kapseln aus der Baumwolle gesammelt, als der junge Massa zu uns kam und sagte, einer von uns sollte mit ihm kommen und ihm beim Herrenhaus helfen«, antwortete er immer noch etwas widerwillig. Judith tat der Junge leid, dessen Stolz verletzt worden war. Wie brutal Kinder doch sein konnten!
Plötzlich hob Benny den Kopf und sah sie an. Sein Gesicht war wie helle Bronze, und er hatte feingeschnittene, fast adlerähnliche Züge, eine kühne Nase und große dunkle Augen mit langen, gebogenen Wimpern. Die Strahlen der untergehenden Sonne glänzten auf seinem seidenweichen Haar. Unwillkürlich packte Judith ihn heftig am Arm. Sie wußte nicht, ob es ein einzelner Zug an ihm, sein ganzes Aussehen oder vielleicht diese etwas anmaßende Haltung war, die ihr Herz so wild schlagen ließ. Damals hatte sie den bitteren Entschluß gefaßt, niemals nach diesem Kinde zu forschen. Dutzende von farbigen Kindern waren auf der Pflanzung, und die meisten bekam sie kaum zu sehen. Irgendwo unter ihnen lebte auch Angeliques Kind. Sie wußte nicht einmal, ob Philip sich die Mühe gemacht hatte, es herauszufinden.
Er wartete darauf, daß sie weitersprechen sollte, höflich, aber nicht unterwürfig. Sie sagte sich, daß sie nicht weiter mit ihm reden dürfe. Es war besser,
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