Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
fein und elegant angezogen und sah so vornehm aus.«
Caleb faßte sie fester an der Schulter. »Dolores, es tut mir leid, daß ich ihn dir fortgenommen habe.«
Seine Worte klangen steif und hart, denn er wußte kaum, wie er es sagen sollte oder ob sie ihm Glauben schenkte. Einen Augenblick antwortete sie nicht. Er sah, daß sie Rogers Handgelenk hielt und den Puls fühlte. Als sie ihn gefunden hatte, erwiderte sie langsam:
»Auch dann hätte er das gelbe Fieber bekommen, Caleb. Vielleicht wäre seine Krankheit zuviel für mich gewesen, wenn ich ihn die ganze Zeit um mich gehabt hätte.«
»Ich will dir reines Wasser holen«, sagte er. Er nahm die Waschschüssel und goß sie im Eimer aus, dann füllte er sie wieder aus dem Waschkrug. Sie nahm sie ihm ab und setzte sie auf den Tisch. Roger warf sich unruhig hin und her und sprach abgerissene Worte.
Plötzlich sprang Dolores auf, eilte zum Fenster und verbarg das Gesicht in den Falten des Vorhangs. Sie schluchzte lautlos, aber ihre Schultern zitterten.
Caleb trat zu ihr und legte den Arm um sie.
Aber sie wollte nicht, daß er sie an sich zog und trat beiseite. Um Rogers willen war sie nach Silberwald gekommen, nicht seinetwegen, das wurde ihm jetzt klar.
Er ging zum Bett zurück und sah auf seinen Sohn nieder. Würde Roger sterben? fragte er sich bang.
Dolores strich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht zurück. »Es ist kein Wasser mehr im Krug«, sagte sie. »Kannst du nicht etwas holen? Ich habe brennenden Durst, und ich muß auch Wasser für ihn haben.«
»Gut.« Caleb nahm den Krug und ging hinaus zu den Regentonnen, die hinter dem Haus standen. In der Küche brannte Licht, und er sah, daß mehrere Diener dort saßen, aber er rief sie nicht. Wenn er wenigstens auch etwas helfen konnte, fühlte er sich nicht so entsetzlich nutzlos.
Er nahm den Deckel von einem der großen Behälter ab und füllte den Krug. Das Wasser war frisch, denn es hatte am Morgen geregnet, und er selbst hatte dafür gesorgt, daß die Fässer zugedeckt wurden, sobald es aufhörte, damit das Wasser so wenig wie möglich mit der giftigen Luft in Berührung kam.
In der Halle setzte er den Krug auf den Boden, um eine Flasche Wein für Dolores zu holen. Es war nicht gut, Wasser zu trinken, während die Seuche wütete.
Caleb suchte zwischen den Flaschen und fand guten alten Portwein. Der würde ihr sicher helfen, bald wieder zu Kräften zu kommen. Als er ins Eßzimmer ging, um ein Glas zu holen, blieb er eine Weile am Fenster stehen und sah in die dunkle, feuchtwarme Nacht hinaus. Er versuchte, sich ihr Leben vorzustellen, das sie in dieser traurigen Umgebung mit Thad Upjohn geführt hatte. Mit Bitterkeit dachte er daran, daß ihre später geborenen Kinder ihm und nicht diesem Upjohn gehören könnten, wenn er sie damals nicht von sich gestoßen hätte. Dann würde ihm auch jetzt nicht der Verlust des einzigen Menschen drohen, den er auf der Welt liebte.
Als die Uhr schlug, fuhr er aus seinen Gedanken auf und erschrak, daß er so lange von Rogers Bett ferngeblieben war. Er nahm die Flasche unter den Arm, hielt das Glas in der einen Hand, den Krug in der anderen und schlich auf Zehenspitzen durch die Halle.
Im Krankenzimmer war es ruhig. Darüber war er erstaunt, denn selbst wenn Roger schlief, stöhnte und sprach er im Fieberwahn, und wenn er erwachte, versuchte Dolores, ihn zu trösten und zu beruhigen. Caleb setzte den Krug zu Boden und drückte die Klinke nieder, aber als er die Tür öffnete, erstarrte er vor Schrecken.
Roger lag vollkommen ruhig unter der Decke. Dolores kniete neben dem Bett. Sie hatte das Gesicht in dem Bett vergraben und die Hände hinter dem Kopf gefaltet. Caleb stand reglos. Er hatte das Gefühl, als ob plötzlich sein Herz im Halse schlüge und ihn erstickte. Endlich setzte er Flasche und Glas nieder, trat zu ihr und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Dolores«, sagte er.
Sie fuhr zurück und legte die Hand auf den Mund.
»Ruhig!«
Im Kerzenlicht sah er Tränen auf ihren Wangen glänzen. Er half ihr auf. Sein Gesicht war dem Bett abgewandt. Sie taumelte, als ob es ihr schwerfiele, aufzustehen. Sie hielt sich mit beiden Händen an ihm, um nicht umzusinken.
»Caleb –« Ihre Stimme klang heiser, und ihre Worte waren kaum zu verstehen. »Caleb – er hat kein Fieber mehr – er schläft ruhig – oh, Gott sei gedankt –«
Plötzlich ließ er sie los, und es kam ihm kaum zum Bewußtsein, daß sie schwankte und sich an dem Bettpfosten hielt, denn
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