Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Vereinigten Staaten verschicken, nach Europa, nach allen möglichen Ländern! Wenn ich herausfinden kann, wie man es macht, und wenn du mir Land und Sklaven gibst, um es einmal zu versuchen –«
»Und dann nimmst du die Neger von den Feldern, auf denen wir erprobte Ernten ziehen«, sagte Judith, »nur damit sie den Saft des Rohres kochen, auf die ungewisse Möglichkeit hin, daß er in abgekühltem Zustand zu genießen ist?«
Philip war im allgemeinen sehr vorsichtig, ehe er auf Davids ungestüme Pläne und Ideen einging, aber diesmal hatte er doch mit großer Aufmerksamkeit zugehört. »Vielleicht lohnt sich der Versuch doch. Wir brauchen tatsächlich eine neue Kultur –«
»An Stelle des Indigos?« fragte Judith plötzlich eifrig, da sie die Heuschreckenplage im Sommer haßte.
Aber Philip zerstörte ihre Hoffnungen. »Nein, nicht an Stelle des Indigos, sondern des Tabaks. In Kentucky haben die Farmer große Tabakpflanzungen angelegt, und ihre Sorten sind besser als die aus Louisiana. Nur weil sie in Neuorleans Hafenzoll zahlen müssen, haben sie unseren Tabakmarkt noch nicht ruiniert. Die Amerikaner wollen einen Vertrag abschließen, so daß sie ihren Tabak zollfrei den Strom herunterschicken können. Wenn ihnen das gelingt, können wir unsere Tabakfelder alle umpflügen.«
»Ich bin fest davon überzeugt, daß sie in Kentucky kein Rohr pflanzen können«, erwiderte David. »Das Rohr braucht sehr viel Sonne, um auszureifen, und soviel ich gehört habe, wird es in Kentucky sehr kalt. Also, kann ich nach Neuorleans fahren, Vater?«
»Ja. Aber mache dir keine zu großen Hoffnungen! Mir erscheint die ganze Sache doch mehr wie ein schöner Traum.«
Aber David war viel zu eifrig, um sich durch die Warnungen seines Vaters abschrecken zu lassen. In ausgezeichneter Stimmung fuhr er nach Neuorleans. Judith hoffte im stillen immer noch, daß die Zuckerkultur mit der Zeit den Anbau von Indigo verdrängen würde.
Obwohl sie nun zwanzig Jahre lang zwischen Indigofeldern gelebt hatte, war ihre Abneigung dagegen unverändert geblieben. Die Heuschrecken kamen in großen Mengen ins Haus, und sie schauderte jedesmal, wenn sie daran dachte. Und der Gestank der großen Indigokessel erregte Übelkeit bei ihr. Die Abfälle, die aus den Fässern kamen und dann verfaulten, zogen so viele Fliegen an, daß Judith immer an die ägyptische Plage erinnert wurde. Zivilisation und Indigo vertrugen sich ihrer Meinung nach nicht miteinander. Sie konnten unmöglich nebeneinander bestehen, sagte sie sich verzweifelt, wenn die Anstrengungen, im Sommer das Haus rein zu halten, sie manchmal übernervös machten.
Als ein Monat nach Davids Abreise vergangen war, ritt Philip eines Tages nach Lynhaven. Die Purcells trauerten noch um ihren Vater, und während des Winters hatte er nicht viel von Gervaise und ihren Kindern gesehen. Als er durch das Parktor ritt, lief ihm Emily durch den Garten entgegen. Sie war Purcells jüngste Tochter, ein hübsches, kleines Mädchen von acht oder neun Jahren mit schwarzen Locken und dem schmalen französischen Gesicht ihrer Mutter.
»Guten Morgen, Miß Emily«, rief Philip, als er vom Pferd stieg. »Wie geht es der Familie?«
Sie machte einen Knicks. »Danke, gut, Mr. Larne«, erwiderte sie und lachte, als er ihre Hand in die seine nahm. »Aber sie haben drinnen einen furchtbaren Streit.«
»Was, sie streiten sich?«
Sie nickte und lachte wieder leise. »Mutter und die Jungens.«
Philip war erstaunt. Er konnte sich nicht vorstellen, daß die liebenswürdige Gervaise mit irgend jemand Streit haben sollte. Er war mit Emily auf das Haus zugegangen, aber nun blieb er stehen.
»Vielleicht reite ich erst zur Stadt und komme später wieder. Sage deiner Mutter nur, daß wir einen Brief von David erhalten haben. Er hat deine Schwester Babette in Neuorleans besucht. Es geht ihr und auch ihren Kindern sehr gut.«
»Ach, es würde mir leid tun, wenn Sie fortgingen«, widersprach Emily. »Meine Mutter möchte Sie sicher gerne sehen.«
Aber er war gerade im Begriff, zu seinem Pferde zurückzugehen, als Gervaise durch eine der Glastüren auf die Veranda heraustrat. Sie winkte ihm zu.
»Aber kommen Sie doch bitte herein, Philip! Ich dachte, ich hätte Ihre Stimme gehört. Was macht Judith?«
Philip war erstaunt, als er sie sah, versuchte aber, seine Verwunderung zu verbergen. Er erzählte ihr die guten Nachrichten von ihrer verheirateten Tochter. Wenn Gervaise sich mit ihren Söhnen gestritten hatte, so war ihr doch
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