Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
will. Ich glaube auch nicht, daß es ihm sehr gefallen wird, aber er mag es ruhig einmal versuchen.«
»Bedeutet denn das nicht, daß er niemals wieder mit uns zusammenleben wird?« fragte sie traurig, während sie mit dem Schlüsselbund an ihrem Gürtel spielte.
»Nein, das glaube ich nicht«, antwortete er lächelnd. »Er muß jetzt in der Stadt bei den Durhams wohnen, bis er volljährig ist, ob er es gerne tut oder nicht. Und nach diesen Jahren wird er die Sache sicher satt haben und froh sein, wenn er zurückkommen kann. Aber wenn ich dir die Wahrheit sagen soll: Die meisten dummen Streiche habe ich in seinem Alter gemacht, weil man mich nicht tun ließ, was ich wollte. Deshalb werde ich meine Kinder zu nichts zwingen.«
Judith mußte nachgeben. Aber sie konnte Christoph kaum verzeihen, als sie sah, wie eifrig er bestrebt war, rasch von zu Hause fortzukommen. Er verbarg seine Freude und Erleichterung nicht.
Nun war es still und ruhig in dem großen Haus, und jetzt erst kam ihr zum Bewußtsein, wie sehr sie an die Gesellschaft ihrer Kinder gewöhnt war. So schloß sie sich enger als je an David an. Als sie ihn während der schrecklichen Qualen des gelben Fiebers gepflegt hatte, war ihr klargeworden, was sein Verlust für sie bedeuten würde. Aber nun kam David allmählich wieder mehr zu Kräften, und Philip sagte manchmal, daß sie den Jungen zu sehr bemuttere. »Er ist erwachsen«, erinnerte er sie, »und es gefällt ihm nicht, wenn du dich zu viel um ihn kümmerst.«
»Ach, Unsinn! Er hat mich sehr gern.«
»Sicher, liebe Judith, und ich freue mich darüber. Aber das ist immer noch kein Grund für dich, mich zu unterbrechen, wenn ich ihm einmal ins Gewissen rede. Gestern abend hat er mit dem jungen Durham zuviel Wein getrunken. Das ist nicht gut für einen jungen Menschen, der eben eine so schwere Krankheit durchgemacht hat.«
»Er betrinkt sich doch nicht.«
»Nein. Aber das kommt, wenn er schon so heftig trinkt, bevor er noch neunzehn Jahre alt ist. Ich habe nun mein ganzes Leben damit zugebracht, diese Plantage in die Höhe zu bringen, und ich möchte sie nicht einem jungen Mann hinterlassen, der so wenig Verantwortungsgefühl hat wie David.«
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. David liebt das Land sehr, jeden einzelnen Acker. Ich bezweifle, ob er jemals eine Frau so lieben wird wie sein Land.«
Philip lächelte. Davids aufrichtiges Interesse für den Stand der Ernten erfüllte ihn mit Stolz, und er war auch bereit, dafür bei anderen Dingen einmal ein Auge zuzudrücken.
Als David ihnen im Januar einen neuen Plan für Ardeith entwickelte, war Philip begeistert, obwohl der Vorschlag zunächst unpraktisch erschien. David kündigte an, daß er auf einige Zeit nach Neuorleans gehen wollte. Judith erhob Einspruch dagegen – David war noch sehr abgemagert und kaum stark genug für eine Reise. Aber er lachte sie aus.
»Du meinst, weil du mich im letzten Sommer mit einem Löffel gefüttert hast, müßte es so bleiben, Mutter. Aber das geht nicht.« David hatte sich auf den Eßtisch gesetzt und pendelte mit den Beinen. Vergnügt sah er von Judith zu Philip hinüber, der eben von den Tabakfeldern nach Hause gekommen war. »Also, hört zu! Ich möchte einen gewissen Etienne Boré aufsuchen. Seine Pflanzung liegt am Fluß, etwas nördlich von Neuorleans. Er hat Versuche mit dem süßen Rohr gemacht.«
»Aber mein lieber Junge«, widersprach Judith, »hier in Ardeith kannst du alles erfahren, was es über das Rohr zu lernen gibt. Im nächsten Monat sind unsere Felder soweit.«
»Warte einen Augenblick«, unterbrach Philip seine Frau. »Welche Versuche hat dieser Etienne Boré gemacht?«
»Nun, er zieht das Rohr nicht, um nachher Stuhlsitze daraus zu flechten«, fuhr David eifrig fort. »Es mag sein, daß er sich etwas Unsinniges in den Kopf gesetzt hat, das er nicht ausführen kann, aber ich möchte doch einmal sehen, was für eine Bewandtnis es damit hat. Er preßte den Saft aus dem Rohr aus, kochte ihn, ließ ihn abkühlen und klärte ihn dann in einer besonderen Anlage.« David machte eine Pause, um seinen nächsten Worten mehr Nachdruck zu geben. »Und dann fand er, daß er Zucker hatte, so fein wie Sand und unglaublich süß. Man kann ihn in viereckige Formen pressen und verschicken.«
Philip runzelte ungläubig die Stirn, als er das hörte. Aber David ließ sich nicht beirren. »Vater, siehst du nicht, was das bedeutet? Gelingt uns das, so können wir unsere Ernten nach den
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