Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
die Glückwünsche gerade mit dem richtigen Anflug mädchenhafter Befangenheit entgegennahm. So entging ihr fast ganz, was die einzelnen sagten. Erst als sie schließlich neben dem Punschtisch stand, um sich etwas auszuruhen, und nach einem Glas griff, hörte sie, daß die anderen sich laut und heftig unterhielten. Ritas Verlobung konnte dazu kaum den Anlaß gegeben haben.
»Was hat denn die Erregung zu bedeuten?« fragte sie Louis Valcour.
Er wollte gerade das Glas an die Lippen führen, hielt aber inne. »Aber meine liebe Mrs. Larne, haben Sie es noch nicht gehört?« fragte er erstaunt.
»Was denn?«
»Heute mittag kam ein Schiff an, das die neue Nachricht brachte. Die Abtretung an Frankreich war nur eine Formalität, Louisiana ist an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft worden.«
»Um Himmels willen!« Judith hätte beinahe ihren Punsch verschüttet. »Heißt das, daß wir jetzt Amerikaner sind?«
Gervaise kam auf sie zu und reichte ihr die Hand. »Was werden wir wohl das nächste Mal werden? Vielleicht Holländer?«
»Dann müßten wir ja noch eine neue Sprache lernen«, protestierte David, der mit Emily nähergetreten war. Das junge Mädchen an seiner Seite sah entzückend aus. »Die Amerikaner sprechen wenigstens englisch.«
Judith seufzte. »Im Ernst – wie lange wird dies dauern?«
»Was meinen Sie? Die amerikanische Herrschaft über Louisiana?« fragte Louis Valcour. »Nach unseren bisherigen Erfahrungen wohl nicht sehr lange.«
»Verkauft!« David zuckte die Schultern. »Man hat uns nicht einmal abgetreten!«
Rita kam mit Carl näher. »Warte nur, bis meine Mutter das hört!« sagte er.
»Wieviel waren wir denn wert?« fragte Judith.
»Fünfzehn Millionen Dollar«, entgegnete Louis Valcour.
»Und wieviel ist das?«
»Madame, ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber es klingt nach einer ungeheuer großen Summe.«
»Wo ist Christoph?« fragte Rita. »Er weiß immer so genau mit dem Geld Bescheid. Cicero«, rief sie einem Diener zu, »suche Mr. Christoph und bringe ihn sofort hierher. Sage ihm, es handelt sich um eine geschäftliche Angelegenheit. Wenn er das hört«, wandte sie sich mit einem schelmischen Lächeln an die anderen, »kommt er gleich.«
»Immerhin ist es nicht zu verachten, wenn man in einem Land lebt, das fünfzehn Millionen Dollar wert ist.«
Als Christoph erschien, fragte Rita: »Wer ist der Präsident der Vereinigten Staaten, und wieviel sind fünfzehn Millionen Dollar?«
»Er heißt Thomas Jefferson«, erwiderte Christoph ohne Zögern. »Und fünfzehn Millionen Dollar sind vierhundertdreiunddreißig Tonnen Silber.«
»Heilige Engel im Himmel!« rief Gervaise. »Woher in aller Welt wissen Sie soviel?«
»Das Schiff hat Berichte über die Debatten im Kongreß gebracht«, erwiderte Christoph lächelnd. »Die Mitglieder des Kongresses haben heftig darum gestritten. Sie sagten, Louisiana könne unmöglich so viel wert sein. Kein Land auf der Erde sei so viel wert. Ein alter, frommer Redner aus Neuengland regte an, die älteren angelsächsischen Staaten sollten sich von den anderen trennen und lieber ihre eigene Regierung einsetzen, statt sich von Fremden und besonders von den Heiden im Mississippital überstimmen zu lassen.«
»Das klingt alles so phantastisch«, meinte Judith.
»Mir ist die Sache ebenso rätselhaft wie vorher«, erklärte Rita.
»Sieh einmal her.« Christoph nahm eine Münze aus der Tasche. »Dies ist ein Picayune. Er ist ungefähr soviel wert wie die Hälfte eines amerikanischen Zehncentstückes, ihr Münzsystem ist sehr einfach – zehn Zehncentstücke gehen auf einen Dollar. Das ist alles, was man wissen muß.«
»Zwei Picayunes auf ein Zehncentstück – zehn Zehncentstücke auf einen Dollar, fünfzehn Millionen – großer Gott«, sagte Rita, »so weit kann ich nicht zählen. Ich mache ihnen wirklich keinen Vorwurf, daß sie eine solche Summe nicht zahlen wollen.«
»Carl!« hörten sie eine scharfe Stimme.
Carl Heriot wandte sich um und bemerkte, daß seine Mutter auf ihn zukam. »Was ist das für ein Unsinn, daß Louisiana an die Amerikaner verkauft sein soll?« fragte sie aufgeregt.
Ihr Sohn unterdrückte ein Lachen. Er war ein junger Mann mit einem freundlichen Gesicht und hatte einige Sommersprossen. Eine vorwitzige Locke kräuselte sich auf seinem Scheitel, die er nicht glattstreichen konnte, soviel er auch bürstete. »Es ist wahr, Mutter«, antwortete er. »Wir haben eben darüber gesprochen.«
»Und das muß uns
Weitere Kostenlose Bücher