Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Judith.
»Ach, Unsinn, junge Miß! Nicht lange, dann werden Sie wie ich – dann machen Ihnen das überhaupt nichts mehr. Haben Sie denn keine Sommer, wo Sie früher lebten, Honig?«
»Dort ist es nicht so heiß wie hier.« Judith hatte den Kopf nicht gehoben. Es war ein Trost, daß jemand einen so zärtlich hielt, selbst wenn es nur eine schwarze Sklavin war.
»Ja, nur Geduld, meine Zuckerpflaume, bis Mr. Philip luftige große neue Haus aufrichten da drüben, dann haben Sie nett und kühl –«
Judith zweifelte daran, aber sie war zu erschöpft, um Tibby zu widersprechen. Sie strich das feuchte Haar aus der Stirn und erhob sich.
»Ich will nach draußen gehen«, sagte sie. Der Geruch des brodelnden Gumbo machte sie krank, und sie fühlte sich von Minute zu Minute elender. Wie konnte nur jemand ein so stark gepfeffertes Gericht bei so heißem Wetter essen?
»Ja, Mäm. Sie können Mr. Philip hereinrufen.«
»Ist das Essen fertig?«
»Ja, Mäm, sicher.« Tibby wickelte Lappen um ihre Hand und nahm den Deckel vom Topf.
Verstärkt kam der Geruch von den Garnelen und den vielen scharfen Gewürzen aus dem Kessel.
Judith eilte aus dem Blockhaus. Sie zürnte dem Himmel, weil er diese Gluthitze niedersandte, um sie zu quälen; sie war böse auf Philip, daß er zur Mittagszeit hungrig nach Hause kam, um diese scharf gewürzte rote Masse zu essen, und sie war wütend auf Tibby, die in dieser Gullahsprache redete, die kaum jemand aus Connecticut verstehen konnte. Sie lehnte sich an die Wand des Blockhauses und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Alle Menschen und Dinge haßte sie in diesem Augenblick. Ein Moskito setzte sich auf ihren Nacken. Sie schlug danach und ging dann nach dem Walde zu.
Die Sklaven rodeten ein Stück für eine Indigopflanzung aus. Von dorther kam der Klang der Äxte, die auf die Baumstämme niedersausten. Hier draußen war die Luft frischer, aber die Sonne brannte auf Judiths Kopf. Die Arme juckten, die Manschetten waren zu eng, um sie aufzurollen, und es schien nicht anständig zu sein, mit nackten Armen herumzulaufen. Auch hier draußen roch es nach Essen. Die Sklavenfrauen, die Philipp mitgebracht hatte, kochten junge Kräuter und Pökelfleisch in Töpfen, die in Dreifüßen über dem Feuer hingen. Die weiche Erde klebte an Judiths Schuhen, und das Unkraut setzte sich an ihrem Kleid fest, während sie zwischen den Baumstümpfen um die Fundamente des neuen Hauses herumging.
Die Sklaven arbeiteten nach dem Rhythmus eines lauten Gesanges. Die Worte waren ein Gemisch aus der halbvergessenen Sprache des Urwaldes und Ausdrücken der Gullahküste. In langsamem Takt hoben sie die Äxte, aber ihr Gesang klang greulich wie das Geheul von Wilden in einer weltverlorenen Gegend, wo nie ein Christ den Fuß hingesetzt hatte. Trotz der drückenden Hitze lief Judith ein kalter Schauer über den Rücken, als sie stehenblieb, um die großen, kräftigen Schwarzen zu beobachten. Die Sonne schien auf die unbekleideten Rücken der Neger, die bis zum Gürtel nackt waren. Ihre Schultermuskeln zogen sich zusammen, wenn sie die Äxte hoben. Oben stießen die Zweige der Bäume zusammen und bildeten eine einzige grüne Decke. Hier und dort rankte sich ein Schlinggewächs in die Höhe und drückte das Spanische Moos an die Äste. Große, leuchtendrote Blumen hingen herab wie Lichter in der Dämmerung des Waldes.
Ein Regen von Rindenteilchen und Holzsplittern fiel nieder, wenn die Äxte in die großen Stämme fuhren. Judith sah diesem Schauspiel halb furchtsam, halb verzaubert zu. Sie dachte darüber nach, was die Neger eigentlich wären. Die Pfarrer stritten sich darum, ob die Schwarzen eine Seele hätten wie die Weißen oder nicht – wie könnten sie eine unsterbliche Seele haben, wenn sie im afrikanischen Urwald wie die wilden Tiere hausten, sich gegenseitig abschlachteten, kochten und verspeisten? hatte der Geistliche von St. Margarethen gefragt. Aber andererseits schien Tibby, die Gumbo kochte, wirklich menschlich zu sein.
Einer der Neger zeigte auf Judith und rief ihr etwas zu.
Sie erschrak und starrte ihn an. Der Mann schrie aufs neue, und nun wandten sich alle Schwarzen nach ihr um und begannen laut zu rufen und zu schreien. Judith zog mit beiden Händen ihr Tuch über der Brust zusammen und wollte fliehen; aber ihre zitternden Knie versagten den Dienst. Schon sah sie im Geiste, wie sie von den Schwarzen in einem Kessel geschmort wurde. Sie öffnete den Mund und versuchte, Philip zu Hilfe zu rufen, aber
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