Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
sie setzte sich.
»Bring ihr Wasser, Tibby«, befahl er.
Die Schwarze war gerade damit beschäftigt, den Gumbo in große Schüsseln zu füllen und sie auf den Tisch zu stellen. »Junge Miß nicht gesund«, sagte sie. Mit einer Kürbisflasche schöpfte sie Wasser aus dem Eimer, der auf einer Bank stand. »Hier sein Wasser, Honiglamm.«
Judith versuchte es zu trinken. Während der langen Reise im Flachboot hatte sie sich daran gewöhnt, aus dem Strom zu trinken, aber plötzlich dachte sie, daß sie noch nie in ihrem Leben so etwas Faules geschmeckt hätte. Das Wasser war lauwarm und fühlte sich sandig auf der Zunge an. Der scharfe Geruch von Gumbo schlug ihr ins Gesicht, es wurde ihr kalt vor Ekel und Abscheu, dann kam plötzlich wieder eine Hitzewelle über sie, ihr Magen schien sich in ihrem Innern umzudrehen, und in ihrem Kopf schwirrte alles. Unvermittelt stürzte sie aus dem Haus. Als Philip, der ihr nacheilte, sie erreichte, war sie zwischen dem hohen Unkraut auf die Knie gesunken, klammerte sich mit Mühe an eine Palme und kämpfte mit dem Erbrechen.
Er half ihr auf, führte sie zu der Stufe vor dem Blockhaus, wo es schattig war, und setzte sich neben sie.
»Ach, es tut mir so leid, Philip«, sagte sie leise.
Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, so daß ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. Dann stellte er einige Fragen an sie.
Judith wich zurück und hielt den Atem an.
»Glaubst du, daß ich ein Kind bekomme, Philip?«
»Aber Liebling«, erwiderte er zärtlich, »hast du denn das nicht gewußt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich weiß überhaupt nichts«, sagte sie dann. »Du mußt mich für ein furchtbar dummes Ding halten, Philip.«
Er riß Kräuter ab, die am Boden wuchsen, und zerpflückte sie.
»Nein. Aber vielleicht bin ich es, der nicht Bescheid weiß.«
Judith rollte die Enden eines Loches zusammen, das Palmenstacheln in ihr Kleid gerissen hatten. »Philip, tut es sehr weh?«
Er nickte. »Ja, man sagt es.«
»Erzähle mir noch, wie es ist, Philip.«
Er hob den Kopf.
»Das kann ich nicht, Liebling. Ich weiß nichts darüber.«
Erstaunt sah sie ihn an. Es war ihr unfaßbar, daß er etwas nicht wissen sollte.
»Aber, Philip –«
»Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe früher nie darüber nachgedacht.« Er lächelte ein wenig. »Es tut mir leid, Judith.«
»Ach, mir nicht.« Ihr erster Gedanke war gewesen, daß Philip ihretwegen keine Reue empfinden durfte. Er hatte doch so viel zu tun. »Meine Mutter kann es mir sagen. Sie wird mir schon raten, und dann ist alles gut. Wir könnten doch auch nicht die Familie gründen, von der wir gesprochen haben, wenn ich keine Kinder bekäme.«
Er lachte, zog sie an sich und küßte sie. »Du hast recht, das ginge dann nicht, mein lieber, kleiner, tapferer Soldat. Morgen in aller Frühe spanne ich den Wagen an und bringe dich zu deiner Mutter.«
»Willst du das wirklich tun? Sie wird sich sehr freuen, wenn wir sie besuchen.«
»Sicher möchte sie mir am liebsten das Genick umdrehen«, erwiderte Philip trocken. Er nahm ihre Hände in die seinen. »Judith, du liebst mich doch? Es tut dir nicht leid, daß du mit mir davongelaufen bist?«
»Ach nein! Ich liebe dich so sehr.« Sie lächelte ihm zu, froh und erleichtert, daß sie wirklich einen Grund hatte, sich krank zu fühlen. Dieser Zustand bedeutete nicht, daß sie die Strapazen und Härten eines Pionierlebens in dem heißen Klima nicht aushalten konnte. Es war ein aufregender Gedanke, daß sie ein Kind bekommen sollte, besonders wenn es schön sein und wie Philip aussehen würde. Und es war herrlich, daß sie hier, mitten in der Wildnis, ein großes Haus bauen und ein Reich für sich aufrichten wollten.
Unter den Bäumen war ein Geräusch zu hören, und Judith wandte sich um.
»Sieh doch! Ist das nicht ein Wagen, der den Weg herunterkommt?«
»Natürlich. Was in aller Welt?« Philip zog die Pistole aus der Ledertasche seines Gürtels. »Du gehst wohl besser hinein, Judith.«
Sie stand auf, aber bevor sie seiner Aufforderung folgen konnte, hatte der Wagen den freien Platz vor dem Blockhaus schon erreicht.
»Ach, das ist mein Bruder Caleb«, sagte sie.
Philip steckte die Pistole fort, ging zum Wagen und rief seinem Schwager einen Gruß zu. Judith folgte ihm verwundert. Es mußte schon etwas sehr Wichtiges vorliegen, daß ihr Bruder die weite Fahrt unternommen hatte.
Caleb stieg aus dem Wagen und kam ängstlich auf die beiden zu. Er war ein großer, knochiger Bursche und
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