Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
gehören nicht zu diesen vornehmen Leuten.«
»Aber bestimmt werden wir zu ihnen gehören, Caleb! Wir alle. Wir haben doch große Plantagen vom König bekommen, und Indigo wächst hier üppig. Sieh dir doch an, wie großartig die Purcells leben.«
»Vater sagt, er weiß nicht, was in Mr. Purcell gefahren ist, daß er jetzt plötzlich so großartig auftritt. Sicher ist die Französin daran schuld, die er geheiratet hat.«
»Gervaise? Sie ist sehr nett, nur ein wenig still. Ich glaube nicht, daß sie stolz ist.«
»Nun, auf jeden Fall mußt du Mutter beruhigen. Es geht ihr wirklich sehr schlecht.«
Judith lächelte. Sie wollte ihrer Mutter schon sagen, wie großartig Philip wäre. Dann könnte sie auch wegen ihrer eigenen Schwierigkeiten um Rat fragen. Heute abend würden sie die Männer aus dem Zimmer schicken und dann eine lange, vertrauliche Unterredung miteinander haben. Judith sah ihren Bruder Caleb mitleidig von der Seite an. Er war vier Jahre älter als sie und doch eigentlich noch ein Junge. Sie dagegen war erst fünfzehn und schon eine verheiratete Frau. Und sie würde ein Kind bekommen, den späteren Erben der Ardeith-Plantage …
Die Pflanzung der Sheramys war ›Silberwald‹ genannt worden. Caleb hatte den Namen vorgeschlagen. Auch er hatte eine Neigung zum Romantischen, obwohl sie viel tiefer verborgen war als bei Judith. Die weißen Stämme der Zypressen hatten ihn angeregt, ein schönklingendes Wort für das Land zu finden, auf dem diese herrlichen Bäume wuchsen. Er und seine Eltern hatten bei den Purcells gewohnt, während Mark Sheramys Sklaven ein Blockhaus bauten, das groß und bequem genug war, um ein paar Jahre darin zu wohnen, bis das Land abgeholzt war und man die Sklaven dazu anstellen konnte, ein großes Haus aus Moos und Lehm zu bauen. Das Blockhaus umfaßte vier Räume und war stark und fest. Kein Wunder, daß sie verächtlich auf die kleine Hütte herabsahen, die Philip und seine Neger in acht Tagen aufgestellt hatten. Aber er hatte sie in so kurzer Zeit errichtet, weil er nicht länger ohne sie leben konnte, erinnerte sich Judith mit Stolz, als sie aus dem Wagen stieg und ins Haus eilte.
Mark Sheramy kam ihr langsam aus dem Vorderzimmer entgegen. »Es war gut von dir, daß du gleich gekommen bist«, sagte er. »Es tat mir leid, daß ich dich von deinem Mann fortholen mußte.«
Judiths Gewissen schlug, als er so freundlich und liebevoll zu ihr war und ihr nicht die geringsten Vorwürfe machte.
»Aber ich wollte sowieso kommen, Vater«, versicherte sie.
»Ich freue mich, daß du dein Haus verlassen konntest. Caleb und ich verstehen nicht viel von Krankenpflege.«
»Wo ist denn Mutter?«
»Im Schlafzimmer. Geh leise!«
Judith ging zur Seitentür. Was für ein schönes, kühles Haus war dies doch! Und so sauber! Es gab einen besonderen Kochraum, und nirgends war Schmutz in den Ritzen und Spalten zu sehen.
Leise trat sie in das Zimmer ihrer Mutter. Sie fühlte einen plötzlichen Schmerz, als sie das Spinnrad sah, das in ihrer alten Heimat am Herd gestanden hatte, und die Teppiche, die aus alten Stoffen zusammengewebt waren. Sie hatte selbst dabei mitgeholfen. Ihre Mutter lag auf dem Bett. Das Moskitonetz hing davor, so daß Judith sie nicht deutlich sehen konnte. Außerdem war es hier bedeutend dunkler als draußen im hellen Sonnenlicht.
Mrs. Sheramy hob den Kopf ein wenig von dem Kissen.
»Judith?« fragte sie mit schwacher Stimme. »Mein liebes, kleines Mädchen.«
Judith hob das Moskitonetz, umarmte ihre Mutter und küßte sie. Aber als sie fühlte, wie langsam die Mutter die Arme hob, um sie um ihre Schultern zu legen, und wie heiß die Wangen waren, wußte Judith, daß sie am nächsten Tag nicht nach Ardeith zurückkehren würde. Und mit Schrecken wurde ihr klar, daß es lange dauern würde, bis sie eine Frage an die Mutter richten durfte.
3
S ie sagten Judith nicht, daß Catherine Sheramy sich schwere Sorge gemacht und schließlich krank geworden war. Aber Judith sagte es sich selbst. Walter und Gervaise Purcell kamen zu Pferde herüber und brachten stärkende Suppe und guten Rat, wie die Kranke gepflegt werden sollte. Gervaise war selbst so zart und sah neben diesen plumpen Teppichen und den aus vielen einzelnen Stoffresten zusammengestellten Steppdecken noch zierlicher und schlanker aus. Sie setzte sich an Catherines Bett, legte ihr kalte Kompressen auf die Stirn und erklärte, es wäre eine Art Fieber, das aus den Sümpfen käme. Leute, die nicht an diese heißen
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