Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Sommer gewöhnt seien, hätten besonders darunter zu leiden. Aber Judith glaubte bestimmt, daß ihre Mutter das Fieber nicht bekommen hätte, wenn sie sich nicht so große Sorgen um ihre Tochter gemacht hätte. Sie versuchte sich vorzustellen, was ihre Eltern empfunden haben mußten, als sie an jenem Morgen aufwachten und Josh, Philips Diener, mit einem Brief auf sie warten fanden. Darin stand, daß Judith von Hause fortgelaufen war.
Die Antwort, die sie darauf zurücksandten, war so schlicht und einfach gewesen, daß Judith bis jetzt noch nicht darüber nachgedacht hatte, wie schwer es ihren Eltern geworden sein mochte, in so ruhigem Tone zu schreiben.
» Meine liebe Tochter Judith,
wir hätten wohl gewünscht, daß Du uns gegenüber anders gehandelt hättest, aber trotzdem erhoffen Deine Mutter und ich nichts anderes als Dein Glück. Da Du uns schreibst, daß Mr. Larne Dich in Ehren geheiratet hat, so beten wir beide, daß Du ihm ein pflichtbewußtes und gehorsames Weib sein mögest und daß er Dir ein liebevoller, gütiger Gatte sei. Möge Gott der Herr Euch bewahren und nicht zulassen, daß Ihr je von dem Wege seiner Gebote abweicht.
Dein Dich liebender Vater
Mark Sheramy.«
»Siehst du, Philip!« hatte sie außer sich vor Freude gerufen. »Ich wußte doch, daß sie nicht böse sein würden, wenn ich ihnen sagte, wie sehr ich dich liebe.«
»Selbstverständlich haben sie nichts dagegen«, antwortete Philip lachend. »Und ich würde mich auch nicht darum kümmern, wenn sie etwas dagegen hätten.«
Auch jetzt machten sie der Tochter keinen Vorwurf, obwohl die Mutter so krank war. Catherine sagte leise, es täte ihr leid, daß sie Judith Unannehmlichkeiten mache, und Mark fragte beinahe furchtsam: »Bist du auch glücklich mit deinem Mann, Judith?«
»Aber natürlich, lieber Vater.«
»Ich bin froh, daß er gut zu dir ist, mein Kind«, entgegnete er, aber er sagte nichts davon, daß er ihretwegen große Sorgen gehabt hatte und noch immer für ihre Zukunft bangte.
Judith tat alles, was sie konnte, aber es mußte soviel geschehen. Die Mahlzeiten waren zuzubereiten und die Zimmer in Ordnung zu halten. Für die Mutter mußten Mehl- und Krankensuppen gekocht werden, aber sie schien nicht wieder zu Kräften zu kommen, was man auch für sie tun mochte.
Philip kam zu Besuch und protestierte. »Aber Judith, du darfst nicht so schwer arbeiten! Fühlst du dich denn wohl genug dazu?«
Sie bestand darauf, daß sie stark genug wäre, obwohl das Kochen am offenen Feuer sie so krank und elend machte, daß sie sich manchmal am liebsten zu ihrer Mutter ins Bett gelegt hätte. Philip schickte Tibby herüber, daß sie ihr helfen sollte, und aß inzwischen, was die Negerfrauen in den Zelten bei Ardeith kochten.
Manchmal wurde Catherine von Schüttelfrost gepackt, und selbst wenn es so heiß war, daß die anderen kaum atmen konnten, zitterte sie so stark, daß ihre Zähne vor Kälte aufeinanderschlugen. Alle Decken, die sie aus Connecticut mitgebracht hatten, konnten sie nicht wärmen. Dann kam plötzlich das Fieber zurück. Dazwischen gab es auch Tage, an denen es ihr besser zu gehen schien. Schüttelfrost und Fieberanfälle blieben aus, und Judith hoffte, daß ihre Mutter sich bald erholen würde. Sie wollte sie doch wegen des Kindes um Rat fragen. Aber bevor Catherine genügend Kraft gesammelt hatte, kam ein neuer Fieberanfall und schwächte sie so sehr, daß Judith nichts zu fragen wagte. Sie versuchte, die Angst aus ihrem Herzen zu verbannen. Nahezu alle Frauen hatten doch Kinder bekommen, und den meisten von ihnen schien es nichts geschadet zu haben. Sie erinnerte sich, daß ihre Mutter sie ab und zu mit einem Glas Marmelade oder mit Blumen zu dem Haus einer befreundeten Frau geschickt hatte, wenn ein Kind angekommen war. Diese Frauen hatten immer sehr glücklich und stolz ausgesehen. Aber einige Frauen in Connecticut waren auch daran gestorben. Judith wußte nicht, was den Tod verursacht hatte. Wahrscheinlich waren sie nicht gesund genug gewesen. Darüber brauchte sie sich ja keine Sorgen zu machen, denn sie war in ihrem Leben kaum krank gewesen.
Trotzdem bedrückte sie der Gedanke. Wenn doch Gervaise einmal wiederkommen würde! Dann könnte sie die danach fragen. Aber Gervaise erschien nicht wieder. Walter Purcell ritt öfter den Waldweg zu ihnen herüber, und eines Tages führte er Judith in das Vorderzimmer und fragte sie, ob sie etwas brauche, das Gervaise ihr schicken könnte.
Judith schüttelte den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher