Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
war sie zusammengesunken und machte einen müden Eindruck. Sie hörte Judith zu und äußerte nicht einmal ein Wort des Dankes, als Judith ihr sagte, sie möchte sie nach Ardeith mitnehmen, bis sie sich wieder kräftiger fühlte.
»Mir fehlt nichts«, entgegnete Dolores kühl.
Aber sie nahm das Anerbieten doch an und setzte sich auf das Reitkissen hinter Judiths Sattel. Es schien ihr leichter zu fallen, das zu tun, was man ihr sagte, als selbst etwas zu unternehmen. So ritten sie nach Ardeith. Angelique saß ebenfalls auf einem Pferd, das auch den Kleiderkasten von Dolores trug.
Judith quartierte ihre Schwägerin in einem der Gastzimmer ein und gab ihr eine Dienerin namens Christine, die für sie sorgen sollte.
Dann zog sie Angelique in ihr Zimmer. »Zieh mir das Reitkleid aus und suche etwas Passendes heraus, was ich zum Abend tragen kann. Angelique, was soll ich nur mit Miß Dolores anfangen, nachdem sie nun hier ist?«
Die Dienerin lachte zuversichtlich. »Geben Sie ihr etwas zu tun. Sie kann helfen, Kleider für die Kinder zu nähen.«
»Mit den Dienerinnen? Nein, das geht nicht.«
»Aber sie weiß dann, daß sie sich nützlich machen kann. Wenn sie herumsitzt und nur die Hände in den Schoß legen muß, fühlt sie sich bestimmt unglücklich.«
»Du magst recht haben«, sagte Judith langsam, nachdem sie kurze Zeit nachgedacht hatte.
Angelique hielt ein buntbedrucktes Kleid aus Baumwollstoff hoch, das Judith gewöhnlich nur zum Kirchgang anzog.
»Warum tragen Sie nicht einmal dieses schöne Gewand zum Abendessen? Sie müssen heute abend sehr hübsch aussehen, wenn Sie Mr. Philip sagen, daß sie hier ist. Ich muß auch noch Rosen holen. Er sieht es so gern, wenn Sie Blumen im Haar haben.«
»Ach, meine liebe Angelique, du bist so klug! Sage Josh, daß er auch den englischen Portwein auf den Tisch stellen soll.«
Philip hörte die Neuigkeit ohne große Aufregung.
»Du hast schon zwei Kinder und zwanzig Dienstboten«, sagte er nur, »und nun willst du dir noch mehr Sorgen aufladen! Nun gut. Aber wenn sie anfängt, meinen Gästen Gläser oder sonstige Dinge ins Gesicht zu werfen –«
»Das wird sie nicht tun. Und ich kann ihr auch wirklich keinen Vorwurf machen, weil sie diesem unverschämten Mr. Thistlethwaite Wein ins Gesicht gegossen hat. Wir können den Leuten erzählen, daß Dolores sich nicht wohl fühlte, weil sie ein Kind erwartet, und daß wir sie hierherholten, damit ich mich um sie kümmern und sie pflegen kann. Das wird zwar niemand glauben, aber es klingt annehmbar.«
Philip lachte nachsichtig.
Am nächsten Tag ritt Caleb nach Dalroy, wo er am Kai das Laden eines Indigobootes beaufsichtigen wollte. Unterwegs machte er in Ardeith halt.
Judith saß auf der Veranda und zeigte David, wie man ein Haus aus kleinen Klötzen von Zypressenholz baute. Sie stieg die Treppe hinunter und ging ihrem Bruder entgegen.
»Wo ist Dolores?« fragte er kurz, ohne abzusteigen.
»Im Haus«, erwiderte Judith eifrig. »Möchtest du sie nicht einige Zeit bei mir lassen?«
»Wie lange will sie bleiben?«
»Bis nach der Geburt.«
Caleb bog seine Reitpeitsche. In seinen Zügen zeigte sich eiserne Selbstbeherrschung. Der Ausdruck seines Gesichts glich dem seines Vaters, dem die vielen Jahre der Enttäuschung anzusehen waren, aber er war nicht wie bei Mark durch Güte gemildert.
»Wie geht es ihr?« fragte er schließlich.
»Gut. Kann ich sie hierbehalten, Caleb?«
»Ja. Sieh zu, daß sie gut gepflegt wird. Und was sie braucht – ich meine Kleidung für das Kind und sie selbst – besorge bitte und lasse mir die Rechnungen zuschicken.«
»Das will ich tun, Caleb.« Als er mit seinem Pferd wenden wollte, fügte sie hinzu: »Möchtest du sie nicht sehen?«
»Nein«, erwiderte er schroff und ritt davon.
Judith überlegte sich, ob sie auch so hart und unduldsam geworden wäre, wenn sie Philip nicht in so jungen Jahren geheiratet hätte. Der kleine David zupfte an ihren Röcken, daß sie das Blockhaus mit ihm fertig bauen sollte.
Sie setzte sich auf eine Stufe der Treppe, zog ihn an sich und freute sich wieder, daß er seinem Vater glich. Er hatte die Schönheit und das gewinnende Wesen der Larnes. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er jemals rücksichtslos und hart zu anderen sein würde.
Sie tat alles, was in ihren Kräften stand, um Dolores den Aufenthalt angenehm zu machen, aber sie empfand es nicht als angenehm, sie im Hause zu haben. Wenn Dolores sich auch Mühe gab, ihr keine Umstände zu
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