Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
geworden waren. Er half ihr in den Wagen, der oberhalb des Kais auf sie wartete. Dolores seufzte. Ja, einen männlichen Beschützer oder wenigstens ein paar anständig aussehende Sklaven mußte man haben. Wenn man weder das eine noch das andere besaß, geriet man nur in Schwierigkeiten. Je mehr man des Schutzes bedurfte, desto mehr wurde man umhergestoßen.
Sie fragte bei einem anderen Boot an, aber dieses fuhr stromauf nach Baton Rouge, wo sich eine englische Besatzung befand. Die nächsten Schiffe waren schmutzig, mit Pelzen und Bärenfett aus Illinois beladen, und nahmen keine Passagiere mit. Darauf kam sie an ein paar Fahrzeugen mit Kanonen und Soldaten vorbei. Die Leute waren aber nur auf den Krieg eingestellt und wollten keine Frauen an Bord dulden, auch nicht als Fahrgäste.
Eine spanische Fregatte mit schweren Geschützen hatte dicht neben einem anderen Kriegsschiff Anker geworfen, das eine sonderbare, aber hübsche Flagge führte. Sie zeigte rote und weiße Streifen und in der oberen Ecke ein blaues Feld mit weißen Sternen. Dolores wunderte sich, woher das Kriegsschiff kommen mochte. Sicher aus einem fremden Land. Als ein Soldat in einer nußbraunen Uniform die Schiffsplanke herunterkam, fragte sie ihn, was für ein Schiff das wäre. Er erklärte ihr, daß es aus den Freien und Gleichen Vereinigten Staaten von Amerika käme. Was das bedeutete, wußte sie nicht. Er erzählte ihr auch, daß sie bedeutende Diplomaten den Strom hinunterbrächten, die eine Konferenz mit ihren Freunden in Neuorleans abhalten wollten. Das spanische Schiff begleitete sie durch Louisiana, damit die Engländer ihnen keine Schwierigkeiten machten.
»Können Sie mich nach Neuorleans mitnehmen?« fragte Dolores.
Er betrachtete sie von Kopf bis zu Fuß und grinste.
»Ich würde gern ja sagen, Madame, aber es ist leider nicht erlaubt.«
»Ich mache Ihnen keine Unannehmlichkeiten«, erwiderte sie verzweifelt. Sie war so müde, daß sie eine Fahrt auf irgendeinem Schiff zu jeder Bedingung angenommen hätte, wenn man ihr nur eine Koje gegeben hätte, wo sie ausruhen und schlafen konnte. In der vergangenen Nacht hatte sie nur ein oder zwei Stunden geruht, und sie hätte auch dann nicht schlafen können, wenn sie nicht soviel getrunken hätte. Heute hatte sie nun den ganzen Vormittag mit Kapitänen und Seeleuten gesprochen, bis ihr der Kopf wirbelte. Die Sonne brannte auf den Fluß, und Dolores hatte heftige Kopfschmerzen.
»Nehmen Sie mich doch mit nach Neuorleans!« bat sie.
Er lachte und faßte sie am Arm. »Keine Frau darf diese Planke betreten. Aber wir beide wollen zur Königstaverne gehen, dort können wir ein Glas zusammen trinken.«
Sie schüttelte ihn ab. »Ach, lassen Sie mich in Ruhe!«
»He, wer hat denn zuerst geredet – ich oder Sie?«
»Scheren Sie sich zum Teufel!« Dolores drehte sich um und lief davon, trat aber auf ihren Rock und fiel in den Staub. Einige Neger, die in der Nähe standen, lachten, als sie sich erhob. Die grellen Sonnenstrahlen blendeten sie, und ihre Kehle war ausgetrocknet, weil sie in der vorigen Nacht soviel Whisky getrunken hatte. Sie fürchtete, sie würde ohnmächtig werden, wenn sie sich nicht bald in einem kühlen, dunklen Raum niederlegen konnte. Und der Himmel mochte wissen, was dann mit ihr geschah. Wenn sie doch nur irgendwo ein kleines Zimmer für sich finden würde! Sie wollte zu dem Negerjungen zurückgehen, der ihren Kasten bewachte. Vielleicht war der damit fortgelaufen. Das Menschengewimmel am Kai war so groß, daß es lange dauerte, bis sie die Stelle wiederfand, an der sie ihn zurückgelassen hatte.
Gott sei Dank, er saß noch auf dem Boden und sah begehrlich zu einem Mädchen hinüber, die mit anderen Schwarzen darauf wartete, auf den Sklavenmarkt gebracht und verkauft zu werden.
»Heda, komm mit!« sagte Dolores.
Der Bursche erhob sich. »Wollen Kasten wiederhaben, Miß?«
»Nein, den sollst du tragen.« Sie fühlte sich unsagbar schwach. Wenn sie jetzt noch etwas Schweres hätte tragen sollen, wäre sie sicher tot umgefallen.
»Ja, Mäm. Wohin gehen?«
»Ich muß ein Zimmer mieten«, sagte sie halb zu sich selbst. »Wir wollen zur Königstaverne.«
Das war der einzige Ort, an den sie im Augenblick denken konnte. Sie wußte nicht, wo das Gasthaus lag, aber der Negerjunge kannte es offenbar, denn er machte sich mit dem Kasten sofort auf den Weg. Sie folgte ihm und betete, daß ihre Kräfte sie nicht verlassen möchten, bis sie dorthin kam.
Caleb hätte im Traum nicht
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