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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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verließ das Zimmer.
    Als die Tür ins Schloß schnappte, brach Gilday in Gelächter aus. »Kindchen, verdammt, das war komisch!« schrie er. »Erst habe ich nicht verstanden, wo du hinauswolltest. Hast du gesehen, wie sie die Ohren hängenließ?«
    Corrie May gab keine Antwort. Sie starrte zu der Tür hinüber, durch welche Ann verschwunden war.
    »Ich hätte von ihrem Land ja nur ein paar Morgen zum Verkauf stellen dürfen.« Er gluckste vergnügt. »Sie hat es bloß nicht gewußt.«
    Corrie May ließ sich von der Seitenlehne seines Stuhles gleiten und sagte: »Ich muß jetzt mein Kleid abholen.«
    Gilday erinnerte die anderen: »Ihr alle seid für Dienstag abend zu mir nach Hause eingeladen. Es wird was los sein, das verspreche ich euch!«
    Corrie May verabschiedete sich kurz. Auf den Stufen vor dem Gericht stand sie für einen Augenblick still. In der Ferne bog der Wagen aus Ardeith gerade um die Ecke; Napoleon saß auf dem Kutschersitz. Corrie verschränkte ihre Finger und stützte das Kinn darauf. Zum ersten Male in ihrem Leben hatte sie sich aus freien Stücken bösartig und gemein benommen, und zum ersten Male, seit sie ihre Lose mit Gilday in einen Topf geworfen, spürte sie, daß sie sich nicht nach seinem Vorbild verwandeln konnte.
    Sie sagte sich, daß am Geschehenen nichts mehr zu ändern war, bestieg ihren Wagen und machte sich auf den Weg zur Schneiderin. Und doch verwünschte sie sich im stillen bitter: das Schicksal hatte ihr zum ersten Male die Gnade gewährt, sich wirklich als große Dame zu beweisen; sie hatte es nicht begriffen; sie hatte versagt.

Elftes Kapitel
I
    N apoleon fuhr mit Ann im Wagen über die holprige Straße nach Ardeith zurück. Die Herrin der großen Plantage lag mit geschlossenen Augen in den Sitz zurückgelehnt; sie hatte ihre Hände vors Gesicht geschlagen und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken, das ihr schmerzhaft die Kehle zerpreßte. Zornig flüsterte sie sich zu: »Ich will nicht weinen. Es nützt nicht das geringste. Und wie würden sie das genießen, wenn sie wüßten, ich weine!«
    Aber sie war so müde und erschöpft, daß sie sich körperlich nicht mehr beherrschen konnte; die Tränen quollen durch die Finger und rannen ihr über die Handgelenke. Sie war so schauerlich müde des ewigen Kampfes, sich Anstand und Selbstachtung zu erhalten – und das in einer Welt, die nicht mehr den geringsten Wert auf diese Qualitäten zu legen schien. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in welcher menschlicher Anstand selbstverständlich gewesen war. Sie entsann sich dieser Jahre kaum; die Erinnerung daran war verwelkt wie alte Blumen, denen das Wasser ausgegangen ist. Die Welt von früher war wie der Traum aus einer vergessenen Nacht.
    Sobald sie das Geld nur irgend zusammenkratzen konnte, mußte sie dem Mädchen die zehn Dollar wiedergeben. Ann erschauerte, als sie an Corrie May zurückdachte; sie hatte ihre Näherin stets für eine angenehme kleine Person gehalten; wie war es möglich, daß sie sich mit einer Kreatur wie diesem Gilday einließ; was habe ich an ihr verbrochen – dachte Ann –, womit habe ich die höhnische Herablassung verdient, mit der sie mir das Geld auf den Tisch warf? Als ich Corrie May damals als Näherin einstellte – es war ein Akt purer Menschenfreundlichkeit! Niemals – so dachte Ann weiter – habe ich sie unfreundlich oder ungeduldig angefahren; und doch ist es nicht Dankbarkeit gewesen, die sie bestimmt hat, mir das Geld vorzustrecken; ich hätte es zu Boden werfen sollen!
    Mochte der Himmel wissen, wo sie zehn Dollar hernehmen sollte! Sie hatte die letzten Heller zusammenscharren müssen, um die Steuer aufzubringen. Bevor sie nicht die Baumwolle dieses Herbstes verkauft hatte, war nicht mit Einnahmen zu rechnen. Und wenn sie die Baumwolle entkernen lassen wollte, so hatte sie zuvor die Steuer zu bezahlen, die darauf gelegt war – sie würde wiederum ein Schmuckstück versetzen müssen. Vielleicht brachte Jerry es fertig, die Baumwolle zu einer der geheimen Entkernungsmaschinen zu schaffen, die von den Mitgliedern des Ku-Klux-Klan in den Sümpfen aufgestellt waren. Die Männer, die dort ihre Baumwolle heimlich entkernen ließen, riskierten ihr Leben. Aber wenn sie an dem einzigen Produkt, das ihnen ein wenig Bargeld einbrachte, nichts verdienten, so wußte der Himmel allein, wovon sie leben sollten.
    Es war so gut wie unmöglich geworden, sich Geld zu verschaffen, indem man die letzten Wertgegenstände bei einer Pfandleihe

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