Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
mich freue! Wie wunderschön, daß wir uns nach so langen Jahren wiedertreffen! Sieben oder acht muß es her sein, seit wir uns zum letzten Male gesehen haben. Seien Sie mir herzlich gegrüßt!«
Er streckte ihr seine Hand entgegen. Ann holte tief Atem. Corrie May mußte beinahe laut herauslachen, so sehr belustigte sie der Gedanke, daß hier eine der eingefleischtesten Aristokratinnen einem Bündelbruder die Hand schütteln mußte. Beinahe hilflos vor Wut – was sich bei all ihrer Selbstbeherrschung nicht verbergen ließ – löste Ann ihre Rechte von der Geldbörse; ihr Gesicht glich einer wächsernen Maske. Es war nicht zu verbergen: die Finger des Handschuhs waren ausführlich gestopft. Corrie May stellte es triumphierend fest. Nicht nur auf jene zierliche Weise an den Fingerspitzen, für die sie einst bezahlt worden war, sondern in großen Placken; ein Zeichen verzweifelt unzulänglich gewahrter Vornehmheit. Gilday ließ sich Zeit, ehe er die Hand Anns wieder aus der seinen entließ.
»Alte Freundschaften zu erneuern, das ist doch eins der schönsten Vergnügen, nicht wahr?« schwatzte er weiter. »Darf ich Ihnen diese Herren hier vorstellen. Dies ist Mrs. Larne, Kinder, eine alte Freundin von mir aus der Vorkriegszeit. Hier haben Sie Mr. Dawson, einen gründlich verheirateten Mann; er glaubt es selber kaum. Mr. Cockrell, Mr. Reed, Mr. Farnsworth, Mr. Higgins und diese junge Dame hier, auch eine alte Freundin von Ihnen. Sie erinnern sich ihrer sicherlich.«
»Guten Tag!« sagte Ann eisig. Sie hatte ihre Hand endlich wieder zurückziehen können. Der graue Handschuh war fleckig geworden; Gildays Hand hatte geschwitzt. Er glühte vor Schadenfreude. Anns Blicke streiften Corrie May. »Guten Tag!« sagte Corrie May.
Gilday hatte wieder seinen Arm um ihre Schultern gelegt, mit besitzerischer Gebärde. Corrie May lächelte. Der Schatten einer Empfindung wehte auch über Anns wie erstarrtes Gesicht. Ihr Blick erfaßte Corrie May ebenso vollständig, wie kurz zuvor Corrie May die Besucherin in einem Augenblick ganz und gar in sich aufgenommen hatte. Die Schleppe, die Volants, die blaue Samtschärpe und die falschen Haarflechten – all diese modischen Verzierungen Corrie Mays hatte Ann sofort begriffen. Es dauerte nur einen Augenblick: Anns Augen verengten sich kaum merklich; ihre Mundwinkel zuckten leise in geheimer Verachtung. Schnell huschte die unwägbare Sekunde vorüber; Anns Antlitz wandelte sich in Stein; ihre Augen hefteten sich auf Gilday, als sähe sie nichts weiter in ihm als einen gleichgültigen Fremden.
»Ich möchte den vollen Betrag der Steuer erlegen«, sagte sie. »Wollen Sie ihn, bitte, entgegennehmen.«
»Gewiß, gewiß!« erwiderte Gilday leichthin. Er langte nach seinem Kassenbuch. »Die Sache hat nicht solche Eile. Entsetzlich heiß heute! Wollen Sie sich nicht ein wenig setzen! Wir könnten doch ein Viertelstündchen plaudern.«
»Nein, danke!« sagte Ann.
Sie stand bewegungslos, während Gilday mit den Seiten des Buches raschelte. Corrie May betrachtete Ann mit beinahe gierig prüfenden Blicken. Sie stellte fest, zu wie vollkommener Glätte Anns einfache Frisur geordnet war, wie makellos sauber – und unnachahmlich im Sitz – das ärmliche Gewand ihren abgemagerten Leib umschloß. Fast erregte der Anblick ihr Mitgefühl. Aber sie rief sich sofort zur Ordnung: Mitleid wäre nichts als Blödigkeit; wie hatte Ann vorhin die Lippen gekräuselt! Wenn sie sich doch an ihr rächen könnte –! Es genügte nicht, zuzusehen, wie sie ihre Steuern bezahlen mußte. »Wenn ich's ihr doch in die Haut einschreiben könnte, daß die Zeiten sich geändert haben; daß heute ich, Corrie May, auf dem hohen Pferde sitze und sie, die andere, barfuß im Staube hinschleichen muß«, flüsterte eine böse Stimme im Innern Corrie Mays.
Gilday hatte endlich die richtige Seite gefunden.
»Hier wären wir also –!« Er redete langsam und mit Genuß, als läge ihm daran, den Spaß der ganzen Prozedur so lange wie möglich auszudehnen. »Plantage Ardeith; Eigentum des Denis Larne junior, minderjährig; in Verwahrung und Verwaltung von Mrs. Denis Larne senior, Mutter des Eigentümers und Vormund während seiner Minderjährigkeit. Die Angaben sind doch wohl in Ordnung, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Ann. Sie öffnete ihre Tasche. »Ich habe hier die Steuerfeststellung Ihres Büros«, fuhr sie fort. »Sie setzt die Restschuld auf einhundertachtundneunzig Dollar fest, die heute zahlbar sind.«
Gilday nickte:
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