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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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versetzte. Hugh Purcell zum Beispiel hatte einen Teil des Silbers wieder ausgegraben, das seine Mutter während des Krieges versteckt hatte; und dann waren ihm nur fünfzehn Cent für den schweren silbernen Löffel geboten worden. Das Ardeith-Silber ruhte noch beinahe vollständig im Schoße der Erde; es lohnte sich nicht, es auszugraben.
    Der Wagen gelangte nach Ardeith. Ann reichte Napoleon den Torschlüssel; er stieg vom Bock, schloß auf, drückte die mächtigen Torflügel auf, führte das Pferd hinein und schloß das Tor wieder hinter dem Wagen zu. In alten Zeiten hatten die Tore von einem Jahr zum anderen offengestanden, gastlich immer und unbesorgt; als Ann zum ersten Male befahl, sie zu verschließen – am Tage zuvor war Virginia geboren worden –, zeigte sich das Schloß so rostig, daß es guten Zuredens und vielen Öls bedurfte, ehe der Schlüssel sich knarrend drehen wollte. Das flache Land schwärmte von Marodeuren, und was auf den Feldern heranwuchs, das wurde zur Hälfte gestohlen, ehe es reifte. Ann hielt also stets die Tore verschlossen und trug den Schlüssel an ihrem Bund. Sie blickte sich um: wie das Unkraut sich wieder vordrängte! Stolz war sie einst auf den wunderschönen Park und die wohlgepflegten Gärten gewesen. Nun ging es schon lange über ihre Kraft, des Unkrauts Herr zu werden. Sie war froh, wenn es ihr gelang, die Allee einigermaßen freizuhalten; an manchen Tagen vermochte sie ihren Rücken ohnehin kaum noch aufzurichten.
    In dem grüngedämpften Licht unter den hohen Bäumen spielte der kleine Denis mit Napoleons schwarzem Söhnchen Jimmy; die Kinder schienen die Hitze nicht zu spüren. Als Ann aus dem Wagen stieg, lief Denis auf sie zu: »Du mußt dir das Haus ansehen, das wir gebaut haben!« Sie hatten das winzige Gebäude aus Stöcken und alten Kisten errichtet. Denis war barfuß und trug einen Anzug aus gewürfeltem Baumwollstoff, der einmal für eins der Unterkleider Anns den Rock abgegeben hatte. Er paßte ihm nicht besonders gut; Anns Nähkünste waren inzwischen nicht zur Meisterschaft gediehen. Aber auch in plumpen Kleidern blieb Denis ein anziehendes Kind; er entwickelte sich hübscher und kräftiger als seine kleine Schwester Virginia. Virginia, ein zartes, zierliches Wesen, blickte lieber ernst ins Dasein als heiter, als wüßte sie, daß sie in eine geschlagene Welt hineingeboren war. Denis dagegen schien diese Erde für eine sehr vergnügliche Angelegenheit zu halten. Er sah seinem Vater sprechend ähnlich und hatte von ihm die freundliche Begabung geerbt, ohne allzu viele Fragen hinzunehmen, was das Leben bot. Ann erriet schon jetzt, daß Denis nie viel nachdenken würde, es sei denn gezwungenermaßen. Und da sie selbst es schmerzhaft empfand, wenn sie allzu gründlich nachdenken mußte, so wünschte sie ihrem Sohn, daß er es niemals nötig hätte.
    Sie bewunderte gebührend das Kinderhaus und fragte ihn dann:
    »Hast du die Abschrift gemacht, die ich dir aufgegeben habe?«
    »Ja, Madame!« versicherte er tugendhaft. »Ich habe die Sätze zehnmal abgeschrieben und dann das Heft auf deinen Sekretär gelegt, was du mir gesagt hast.«
    »Wie du mir gesagt hast, Liebling!« verbesserte Ann.
    »Ja, Madame!« Denis seufzte. Sie fuhr tröstend mit der Hand über sein verwirrtes Haar. Wahrscheinlich korrigierte sie ihn zu häufig. Aber es war nur wenig, was sich aus den Ruinen für die Kinder retten ließ, und gutes Englisch kostete nicht viel und war so dankbar, daß sich Ann daran gewöhnt hatte, ihm eine außergewöhnliche Wichtigkeit beizumessen.
    Sie fand die große Halle leer, als sie eintrat. Ann hielt einen Augenblick inne. Der Kronleuchter und die Kerzenhalter lagen voller Staub und erst recht die kunstvollen Schnitzereien an dem Geländer der Wendeltreppe. Sie und Cynthia mühten sich, soviel sie konnten; aber das reichte bei weitem nicht hin. Zwar hielten Napoleon, Bertha und Mammy treu bei den beiden verlassenen Frauen aus. Doch Napoleon war die meiste Zeit damit beschäftigt, die wenigen Feldarbeiter zu beaufsichtigen, die Ann sich leisten konnte – sie mußten ja neuerdings für jeden Tag Arbeit bezahlt werden. Und Mammy war schon zu alt, um noch wirklich etwas zu leisten. Ann und Cynthia vermochten allein mit Berthas Hilfe die zahlreichen Aufgaben nicht zu bewältigen, die früher dreißig Dienstboten in Atem gehalten hatten.
    In ihrem Zimmer riegelte sie die Tür hinter sich ab und lehnte ihr Haupt für einen Augenblick an den Bettpfosten. Auf ihrem

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