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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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sie.
    »Wir müssen nach den von der Regierung erlassenen Vorschriften, meine verehrte Dame, Grundstücke versteigern lassen, wenn die Steuern darauf nicht ordnungsgemäß bezahlt werden.«
    »Die Zuckerrohräcker von Ardeith – versteigern – für zehn Dollar?« Sie kreischte die Worte fast. Zwei oder drei der anderen Männer begannen zu kichern; sie hatten bis dahin kaum zugehört; Szenen wie diese waren sie gewohnt.
    »So lautet der Befehl der Regierung«, sagte Gilday. Er hatte die Uhrkette um seine Daumen gewickelt und wiegte sich auf den Hinterbeinen des Schreibtischstuhles hin und her.
    Ann riß einen ihrer Handschuhe herunter. Sie wand sich mit einiger Schwierigkeit ihren Ehering vom Finger. »Ist Ihnen dieser Ring zehn Dollar wert?« fragte sie.
    Der Ring klapperte auf den Tisch. Gilday nahm ihn auf und drehte ihn in seinen dicken Fingern hin und her.
    »Da ist ja sogar was drin geschrieben«, bemerkte er, »in ganz kleinen Buchstaben; ob man das lesen kann?« Er hielt den Ring ins Licht. »Doch, jetzt kann ich's lesen: ›Für Ann von Denis, am 6. Dezember 1859‹. Winzig klein geschrieben, winzig!«
    Eine Pause entstand. Ann hielt sich mit der bloßen Hand an der Tischkante fest. Corrie May sah sogleich, daß sie von Arbeit gerötet war; wo der Ring gesessen hatte, zog sich ein weißes Bändchen um den Finger.
    »Ist das auch richtiges Gold?« erkundigte sich Gilday behaglich.
    »Selbstverständlich!« knirschte Ann mit deutlicherer Verachtung hervor, als sie sich bisher hatte anmerken lassen.
    Gilday ließ den Ring auf den Schreibtisch klingeln. »Ich werde Ihnen mal was sagen, verehrte Dame. Solchen Trödel haben wir nun schon säckeweise eingenommen. Hier scheint jeder seine Steuern mit Ringen, Broschen und Armbändern bezahlen zu wollen. Wenn es wenigstens altes Goldgeld wäre, dann wüßte man Bescheid. Woher soll man aber ahnen, ob dieser Kram wirklich aus echtem Gold besteht oder nicht. Wir haben keine Zeit, erst all dies Zeug mit Salzsäure zu begießen. Ich will mal nett sein, wegen unserer alten Freundschaft: werde Ihnen das Ding da mit fünf Dollar anrechnen.«
    »Sie …« Ann verschluckte das Wort, das ihr schon auf der Zunge geschwebt hatte; sie schwieg verkrampft.
    »Nicht ich! Die Vereinigten Staaten!«
    Ann richtete sich gerade auf. »Ja, ich weiß!« sagte sie langsam. »Die Vereinigten Staaten.« Und dann noch einmal nach einem tiefen, langen Atemzuge: »Die Vereinigten Staaten!«
    Gilday drehte in der Uhrkette seine Daumen. Dawson stieß seinen Nachbarn in die Seite; beide grinsten sich verständnisinnig an. Cockrell griff nach einer Flasche und ließ sich einen guten Schluck Whisky in den Schlund laufen.
    In Corrie Mays Hirn explodierte ein Einfall wie Sterne, Lieder und Banner des Sieges. Ein Beben böser Freude durchrann sie. Sie öffnete langsam und umständlich ihr Portemonnaie und entnahm ihm einen Zehndollarschein: »Hier sind die zehn Dollar!« sagte sie. »Nehmen Sie Ihren Ring zurück!«
    Zum zweitenmal an diesem Tag blickte Ann sie an, diesmal ungläubig. Corrie May legte ihren Arm um Gildays Nacken. Mit der anderen Hand schob sie die fehlende Note in das unzulängliche Päckchen der Steuergelder Anns.
    Gilday wollte wissen: »Was ist denn in dich gefahren?« Aber Corrie May beachtete ihn nicht. Mit klarer Stimme sagte sie zu Ann: »Nehmen Sie es! Ich habe genug davon!«
    Eine Sekunde lang vermochte Ann sich nicht zu regen. Dann sammelte sie sehr zögernd ihren Ring auf und steckte ihn wieder an den Finger. Als ob sie das Zuckerrohrland von Ardeith gegen die Demütigung abwöge, die ihr widerfuhr, schlossen sich ihre Finger langsam über dem nun genügenden Päckchen.
    Ohne aufzublicken, sagte sie tonlos:
    »Ich danke Ihnen. Sie bekommen es wieder.«
    »Sie brauchen sich nicht zu bemühen«, erwiderte Corrie May mit gespieltem Gleichmut. »Sie brauchen das Geld gewiß dringlicher als ich.«
    »Du! Das ist mein Geld! Bist du nicht recht bei Trost!« rief Gilday aus.
    »Mach keinen Lärm! Unterschreibe die Quittung!« befahl Corrie May mit leiser Stimme. »Das will ich mir nicht entgehen lassen.« Gilday zog ein verwundertes Gesicht, lächelte sie dann von der Seite an, als ob er gehorchte. Ann faltete die Quittung zusammen und steckte sie ein. Sie schaute zu Corrie May hinüber: »Sie sind sehr freundlich«, sagte sie, zitternd und mühsam bestrebt, die Formen zu wahren.
    »Nicht der Rede wert!« erwiderte Corrie May.
    Ann nahm ihren Handschuh auf, drehte sich um und

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