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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Ich lege nicht den geringsten Wert darauf, zur Legende zu werden. Aber ich will meinem Sohn ein Ideal aufrichten, das sein Leben lang vorhält.«
    »So ausgedrückt, klingt es natürlich besser«, erwiderte Cynthia trocken. Sie stichelte einen Augenblick weiter und fuhr dann fort: »Ich bin nicht klug genug, Ann, dir haarklein das Gegenteil zu beweisen. Aber wenn ich heute ständig mit anhöre, in welchen Tönen des Entzückens von der Unübertrefflichkeit des Alten Südens gesprochen wird, dann frage ich mich manchmal, ob Denis jemals merken wird, daß sich vor dem Kriege von dieser Unübertrefflichkeit keine Menschenseele etwas träumen ließ.«
    Ann sagte: »Du bist eine Gans!« und ging hinaus.
    Denis wuchs heran und sah von Jahr zu Jahr mehr seinem Vater ähnlich. Allgemein hielt man ihn für einen reizenden Burschen. Er war gesund und hübsch und stammte unverkennbar aus guter Familie; grobes Benehmen lag außerhalb seines Bereichs; schlechte Laune gestattete er sich nie. Ann beobachtete aufmerksam, wie er ohne Rückschlag und ohne abzuirren zu musterhafter Männlichkeit heranwuchs. Sie glaubte, ein Recht darauf zu besitzen, auf ihn als ihre beste Leistung stolz zu sein.

Fünfzehntes Kapitel
I
    A n manchen Tagen verdiente Fred ein paar Groschen, an anderen verdiente er nichts. Von früh bis spät machte er sich am Hafen zu schaffen. Wenn die Lastwagen der Plantagen heranrollten, so lief er herbei und bot zum Abladen seine Dienste an. Bezahlte man ihm manchmal zehn Cents für die zuweilen schwere Arbeit, so war er schon zufrieden. Und immer stand er bereit, auf die Pferde achtzugeben, wenn Leute von außerhalb zur Stadt gefahren kamen, um dies oder das zu erledigen. Für seine Wacht bei den Gespannen mußte er sich meist mit einem Fünfer begnügen; gelegentlich aber brachte er's auch bis zu fünfzehn Cents. So stiegen seine Verdienste in manchen Wochen auf anderthalb Dollar. Er lieferte die Gelder getreulich seiner Mutter ab. Die machte nie viel Wesens davon, daß ihr die Arbeit schwerfiel, aber ab und zu beobachtete er doch, wie sie sich die Hände in den schmerzenden Rücken stützte und sich mühsam aufrichtete. Zu viele Jahre schon stand sie über das Waschfaß gebeugt. Er nahm auch wahr, wie übel sich manche der Damen aus den großen Häusern benahmen; sie ließen sie einen Monat lang auf den Lohn warten und zogen ihr dann noch einen Teil davon ab, wenn auch nur das Eckchen eines Taschentuches vom Bügeleisen leicht versengt war.
    Aber die Mutter behauptete immer, daß die Zeiten jetzt leichter als früher zu ertragen wären. Sie erklärte ihm, daß sie ihren Unterhalt als Wäscherin nicht verdienen könnte, wenn die reichen Leute noch Sklaven besäßen. Und Fred erlebte selbst, daß sie damit nichts Falsches behauptete: er fand am Hafen genauso leicht und so schwer Arbeit wie die schwarzen Burschen seines Alters.
    Die Männer am Hafen kannten ihn alle bereits, als ein Jahr vergangen war. Fred war wohlgelitten; niemals zeigte er sich mürrisch und erst recht nicht faul; es fiel ihm nicht schwer, beinahe jeden Tag diese oder jene Beschäftigung aufzutreiben. Viel versprach er sich vom kommenden Frühling; er hatte nicht vergessen, wie im Jahre zuvor sich die Geschäfte am Hafen belebten, als die Winternebel verflogen waren. Doch als der Frühling anbrach, begannen die Wasser des Flusses zu steigen.
    Hochwasser wie noch nie seit Menschengedenken! Die Dampfer verschwanden vom Fluß wie weggeblasen. Nur tollkühne Kaufleute wagten es noch, solcher Strömung ihre Waren anzuvertrauen. Die anderen zogen die Eisenbahnen für ihre Transporte vor. An den Landungsbrücken gab es keine Arbeit mehr. Fred erkundigte sich bei den Männern, die da auf Kisten und Ballen tatenlos herumsaßen, womit die Leute sich beschäftigten, wenn das Hochwasser anhielt. Sie schüttelten die Köpfe. So hoch wie in diesem Jahre wäre es noch nie gewesen, sagten sie. In Hochwasserjahren gäbe es eben keine Arbeit. Fred wollte kaum glauben, daß sie sich schulterzuckend so mit den Umständen abfanden. Doch schwang eine Geduld in ihren Aussprüchen mit, die fast nach Weisheit klang: über den Strom hatte keiner Macht.
    Nicht leicht fiel es Fred, sich einfach wie die Männer in die Launen des Stromes zu ergeben. Seine Mutter arbeitete sich fast zu Tode mit ihrer Wäscherei; er war nun beinahe vierzehn Jahre alt und mußte etwas unternehmen, ihr zu helfen. Als in der Nacht darauf seine Mutter eingeschlafen war, schlüpfte Fred noch einmal

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