Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
glitt der Blick zu den alten Eichen und dann die stolze Allee entlang.
Auf Corrie Mays Klopfen tauchte ein Mulattenmädchen auf; sie trug ein gestärktes blaues Kleid; auf ihrem Scheitel schwebte keck ein zierlich geblümtes Häubchen. Ihr Kragen aus Musselin war zu vielen winzig niedlichen Falten steif geplättet. Goldene Ringe schmückten ihr die Ohren. Corrie May ängstigte sich fast vor so viel Staat, aber schließlich war die Türhüterin trotz allem nur ein Sklavenmädchen; sie aber, Corrie May Upjohn, war weiß von Haut und frei! Sie zog den Zettel aus der Tasche und verlangte, daß er Mr. Larne überbracht würde.
»Sehr wohl!« sagte das Mädchen. »Warten Sie hier!«
Als die Dienerin hinter der fernen Treppe verschwunden war, schlüpfte Corrie May in die Halle. Der Griff an der Tür – lieber Himmel, wirklich, er war aus Silber! Ihre Finger waren darauf zu sehen; sie rieb ihn schnell mit dem Ärmel ab. Und die Türangeln – auch aus Silber, so wahr ich geboren bin! Sie wagte sich weiter in die Halle vor, wobei sie staubige Fußstapfen zurückließ. Und die große Wendeltreppe! Warum die nicht zusammenbricht! Weiß der Teufel! Schwingt sich einfach in die Luft hinauf ohne jede Stütze! Und die Schnitzereien am Geländer! Na, wer all die Blumen und Schnörkel abzustauben hatte, womöglich jeden Morgen –! Aber irgendwer staubte sie sicherlich ab; sie schimmerten wunderbar blank und sauber, in allen Falten und Winkeln makellos.
Sie hörte in einem der Vorderzimmer eine Zeitung knittern. Dann vernahm sie Mr. Larnes Stimme.
»Vielen Dank, Bertha. Das Mädchen wartet also hinten in der Halle?«
»Ja, Herr!«
»Ich werde mit ihr sprechen!« Er kam hinter der Treppe hervorgeschritten; seine Gestalt schob sich als Schattenriß vor die helle Vordertür; er trug eine Zeitung unter dem Arm und studierte den Zettel, den Corrie May überbracht hatte. In diesem Augenblick rollte eine Kutsche die Allee herauf. Mr. Larne eilte auf die Freitreppe vor den Säulen. Corrie May vernahm seinen lauten Willkommens ruf:
»Seid gegrüßt! Kommt nur herein!«
Corrie hatte die Kutsche schon mehr als einmal gesehen und erkannte sie gleich an den grünen Seidenvorhängen vor den Wagenfenstern; sie stammte aus Silberwald. Der Kutscher zog seinen hohen Hut und verneigte sich vor Mr. Larne. Der junge Herr aus Silberwald, Miß Anns Bruder Jerry, verließ den Wagen als erster. Corrie May war diesem Jerry Sheramy schon häufig auf der Straße begegnet; nach ihrer Meinung gab es keinen häßlicheren Mann unter der Sonne als Mr. Jerry Sheramy, mochte er auch noch so elegant auftreten. Sein Haar hatte die Farbe von Schwemmsand; seine rotgeäderten Augen quollen ein wenig vor. Er war lang und hamplig gebaut, als hätte der Schöpfer die Teile, aus denen er ihn zusammenfügen wollte, einem ungeschickten Gehilfen überlassen – und der wäre mit der Aufgabe nicht recht fertig geworden. Seine Ohren standen weit vom Schädel ab; und wenn er grinste wie jetzt, so reichte sein breiter Mund von einem zum anderen Ohr, als hingen zwei schlaffe rote Schnüre, die Lippen, quer über sein Gesicht herab. Er schüttelte dem Herrn des Hauses die Hand; dann half Denis Larne dem Fräulein Ann Sheramy aus dem Wagen.
»Sind wir die ersten?« fragte Ann Sheramy.
»Jawohl! Ich freue mich, daß ihr schon so früh gekommen seid!«
Einige dienstbare schwarze Geister tauchten auf, den Gästen beizustehen. Wie hübsch Miß Ann aussah, kühl und frisch wie ein junges Blütenblatt. Ihr Kleid aus grünem gemustertem Musselin bauschte sich weit; die Treppenstufen verschwanden darunter, als sie den Säulengang hinauf schritt; ihr Hut ließ grüne Bänder flattern; um den Nacken lag ihr ein weißer Spitzenschal. »Wie angenehm es hier im Schatten ist«, sagte sie. »In der Kutsche war es schrecklich heiß!«
»Wir können uns hier draußen niederlassen!« schlug Denis vor. »Hier geht die Luft leichter als drinnen.« Er zog Stühle herbei und schickte einen Schwarzen fort, Wein zu holen. Corrie May schlich verstohlen näher. Die drei Menschen erregten ihre Bewunderung. Wie Miß Ann in raschelndem Kleide ihren Hut und Schal einem der Mädchen überließ –! Wie großartig trotz seiner Häßlichkeit ihr Bruder wirkte mit spiegelblanken Schuhen und einem schwarzen Anzug aus feinstem dünnem Tuch; seine Handschuhe waren zitronenfarben. Ehe er sich niedersetzte, warf Jerry einen Blick in die Zeitung, die Denis gerade gelesen hatte:
»Was gibt es Neues in der
Weitere Kostenlose Bücher