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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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erhielten, was ihnen zustand.
    Solche Sicherheit und Ordnung hatte das Schicksal ihr verweigert; sie wußte nicht, wie beides zu gewinnen war, wenn es den Menschen nicht schon in der Wiege beschert ist.
    Inzwischen hatte man weiter sein Leben zu fristen, mußte essen und trinken und die Miete bezahlen. Corrie May sah sich in der Gegend des Hafens nach Arbeit um. Sie war bereit, die Fenster der Kontore zu putzen oder in den Hotels Treppen und Flure zu wischen. Überall erhielt sie die gleiche Antwort: für solche Arbeiten besaß man seine Sklaven; weiße Mädchen mietete man nicht. Manchmal wurde sie bei den Landungsbrücken von Männern angesprochen oder am Arm gefaßt. Sie schüttelte sie ab – nicht so sehr aus Gründen der Tugend, sondern weil sie wußte, daß dies kein Ausweg war. Zu Beginn des Winters wurde sie mit anderen weißen Mädchen auf Ardeith eingestellt, um Orangen zu pflücken; in diesem Jahre waren die Orangen gerade zu der Zeit reif geworden, in welcher das Zuckerrohr geschnitten werden mußte; die schwarzen Sklaven reichten nicht aus, die Arbeit zu bewältigen. Corrie May verdiente dreißig Cents am Tag. Mit einem Dollar und achtzig Cents vermochten ihre Mutter und sie eine Woche lang auszukommen – ein paar Handvoll rote Bohnen, ein paar Hände voll Reis und einige Zwiebeln dazu, das gab eine Mahlzeit, und sie kostete knapp einen Nickel. Aber die Apfelsinenernte war allzubald vorbei.
    Etwa sechs oder sieben Wochen nach der großen Hochzeit sah Corrie May eines Tages die junge Mrs. Ann Larne mit einer anderen jungen Dame, Miß Sarah Purcell, im Park Spazierengehen. Dabei verlor Ann einen Handschuh, ohne daß sie es merkte. Corrie May hob ihn auf und wendete ihn in der Hand hin und her; er war aus Rehleder gefertigt und besaß die Farbe einer unreifen Zitrone. Zu ihrem Erstaunen bemerkte Corrie May, daß die Spitze des Zeigefingers vorsichtig und sehr sorgfältig gestopft war. Corrie May lief hinter den beiden Damen her und gab den Handschuh zurück. Ann dankte ihr und wandte sich dann mit Miß Purcell einem Wäschegeschäft zu. Corrie May blickte den beiden nach – mit einem Male drängte sich ihr ein neuer Gedanke auf. Es war ihr niemals eingefallen anzunehmen, daß auch vornehme Damen gestopfte Kleider tragen. Corrie May hatte der nebelhaften Vorstellung gehuldigt, daß sie schadhafte Gegenstände einfach fortwürfen; doch dieser Gedanke entsprach offenbar nicht den Tatsachen. Und Corrie May verstand, sehr zierlich zu stopfen. Unzweifelhaft verfügte Ann schon über so viele Dienstboten, als sie nur haben wollte; aber sicherlich hatte sie auch viel nötig, auf einen mehr oder weniger kam es wohl nicht an.
    Am nächsten Morgen fand sich Corrie May schon früh am Hafen ein. Sie hatte Schuhe angezogen – von dem Versicherungsgeld der Brüder hatte sie ein Paar erworben –; sie machte einen sehr ordentlichen Eindruck. Sie hielt die Augen offen und entdeckte schließlich einen Zuckerwagen, der ein Schild mit der Aufschrift ›Ardeith‹ trug. Als der Fahrer seine Fässer abgeladen hatte, ging sie auf ihn zu und sagte: »Ich habe etwas Geschäftliches in Ardeith zu erledigen. Du kannst mich mitnehmen.« Der Schwarze blickte von der Apfelsine auf, an der er lutschte, grinste und erwiderte: »Gewiß doch, weiße Mädchen, steig auf!«
    Corrie May kletterte auf den Kutschersitz; sie versteckte die Hände in ihrem Rock; sie sollten sauber bleiben. Es war eine lange Fahrt, aber Corrie May hatte Freude daran. Der Januarmorgen leuchtete, die Sonne funkelte auf den Feldern, und die Zuckersiedereien sprühten Feuer. Am rückwärtigen Tor von Ardeith stieg sie ab, dankte dem Fahrer und wandte sich der Hintertür zu. Als auf ihr Klopfen ein schwarzes Mädchen öffnete, nannte sie ihren Namen und verlangte, die junge Mrs. Larne zu sprechen.
    Bald kam die Dienerin zurück: die Dame des Hauses warte. Corrie Mays Herz klopfte ängstlich. Ann war freundlich zu ihr gewesen, aber Corrie May hatte nichts von ihr zu erbitten brauchen; nun aber war sie auf eine Gunst aus, und der Empfang mochte weniger herzlich ausfallen. Wenigstens wollte sie ein einziges Mal die große Wendeltreppe hinaufgestiegen sein.
    Sie täuschte sich. Das Mädchen führte sie ans Ende der hinteren Galerie; eine schmale, gerade Holztreppe führte von hier aus die Wand entlang nach oben. Corrie May erklomm die Stufen gehorsam; vielleicht werde ich eines Tages – so dachte sie – würdig sein, die Wendeltreppe zu benutzen.
    Die obere

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