Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
ich muß eine Arbeit finden.«
    »Jetzt verstehe ich«, antwortete Ann freundlich. »Mein Irrtum von vorhin tut mir leid. Natürlich sollst du Arbeit haben, wenn du sie so dringend nötig hast. Kannst du zum Beispiel Musselinkleider stärken?«
    »Ja, Madame!«
    »Ich finde es sehr nett von dir, daß du für deine Mutter sorgst. Komm hier herein!« Sie durchquerte das Zimmer zu einer Seitentür; ihr Morgenkleid rieselte hinter ihr her über den Teppich.
    Die Tür öffnete sich in ein Schlafzimmer an der nördlichen Vorderecke des Hauses. Noch nie in ihrem Leben hatte Corrie May ein größeres Zimmer betreten. Auch in diesem Raum brannte ein Feuer – schiere Verschwendung, dachte Corrie May, ein Schlafzimmer auch tagsüber zu heizen! Die Wasch- und Frisiertoilette war mit großen Spiegeln versehen; auf den Handtüchern prunkten dickgestickte Monogramme. Der Ankleidetisch blitzte vor silbernen Haarbürsten, geschliffenen Parfümflaschen und daunigen Puderquasten mit silbernen Griffen. Eine Mulattin räumte Kleider, Unterröcke und Intimeres noch zusammen, womit der Flur bestreut lag. Corrie May schritt staunend durch Wolken zarter Düfte; Ann öffnete einen hohen Mahagonischrank:
    »Hier«, sagte sie und holte einen Unterrock hervor, dessen steifgestärkte Falten knisternd auseinanderfielen. »Der Besatz ist zerrissen. Lucile«, sie wandte sich an das hellbraune Mädchen, »besorge Faden und Nadel. Du kannst hier Platz nehmen, Corrie May. Wenn du den Rock gestopft hast, schaue ich mir deine Arbeit an. Sollte der Schaden schön geheilt sein, so werde ich sicher weitere Arbeit für dich finden.«
    Corrie May griff nach dem Unterrock, außer sich vor Freude, in einem solchen Zimmer arbeiten zu dürfen! Bis jetzt hatte sie nur die Arbeit im Sinne gehabt; sie mußte ja ihren Unterhalt verdienen; nun wurde sie der Pracht und des Reichtums inne, der sie hier umgab; wie würde sie sich hier erholen! Kein Schmutz, keine kreischenden Kinder, keine Betrunkenen nebenan, keine mageren Katzen, die ihr um die Beine strichen, keine Kakerlaken, keine üblen Gerüche! Sie blickte auf:
    »Dieser Rock kommt frisch aus der Wäsche. Ich will erst meine Hände richtig blank scheuern.«
    »Gewiß, da ist der Waschtisch!« Ann wandte sich wieder dem Zimmer zu, aus dem sie hergekommen war. »Lucile, du kannst hinuntergehen, wenn du hier fertig bist. Plätte heute irgendwann die Bänder an meiner Haube aus blauem Satin.«
    Lucile stellte vor Corrie May einen Nähkasten nieder mit Garn, Schere und Fingerhut und verließ den Raum. Corrie May wusch sich die Hände; es kam ihr wie eine Entweihung vor, als sie sich an einem Ende des sauberen Handtuchs abtrocknen mußte; sie faltete es zusammen, daß es aussah, als wäre es noch nicht benutzt; sie stülpte den Deckel wieder über die Seifenschale, goß das Wasser aus und spülte die Schüssel sauber. Dann setzte sie sich und fing an, die zerrissenen Besätze vorsichtig aufzunehmen und zu stopfen; sie arbeitete angestrengt; feine Schweißtröpfchen traten ihr auf die Stirn.
    Als sie mit der schwierigen Aufgabe fertig und der Schaden geheilt war, lehnte sich Corrie May aufatmend und glücklich zurück. Welch prächtiger Raum – und wie gepflegt! Einen Augenblick lang war sie beinahe froh, daß sie solche Häuser nicht gewohnt war; denn wäre sie es gewesen, so hätte sie dies unbeschreibliche Gefühl des Wohlbehagens nicht zu schmecken vermocht. Alles war so wunderbar ringsum. Zur Seite stand zwischen den Fenstern ein kleiner Tisch; die Sonne beschien ihn mit schrägen Strahlen – und plötzlich wurden Corrie Mays Augen geblendet von grünen und roten Funkellichtern.
    Sie stand leise auf, faltete den Unterrock hinter sich auf dem Stuhl zusammen. Dort lagen sie gehäuft: Armbänder und Halsketten und Ohrringe; die Steine glitzerten in der Sonne. Corrie May fragte sich staunend und aufgeregt, was sie da wohl vor sich hatte. Sie entsann sich der Namen von Edelsteinen, die sie gelegentlich vernommen hatte – Diamanten, Amethyste, Perlen, Smaragde, Topase – welch ein Berg von Herrlichkeit!
    Furchtsam streckte sie die Hand aus und rührte das Wunder an. In dem Spiegel über der Waschtoilette erblickte sie ihr Bild – wie mich wohl solche Juwelen kleiden mögen, fragte sie sich kühn. Eine Sünde wär' es nicht, es zu versuchen; sie wollte den Schmuck gleich wieder an seinen alten Platz zurücklegen. Sie schob den Ärmel ihres Kleides hoch und spannte ein Armband um ihr Gelenk; sie hielt sich eine

Weitere Kostenlose Bücher