Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
als die Einheimischen. Und die Prestons – sie stammen aus Virginia?«
»Virginia gehört noch zur Union. Die Prestons kommen also ans Ende des Tisches.«
»Schön! Ich kann nichts dagegen unternehmen. Und wie ist es mit den Delaneys? Sie sind in Wilmington, Delaware, zu Hause. Gehört Delaware noch zur Union?«
»Ja, und es wird wohl auch darin verbleiben. Delaware ist zwar auch ein Sklavenstaat, aber es fühlt sich mehr zum Norden als zum Süden hingezogen. Setze sie also noch unter die Prestons!«
»Ob sie das nicht übelnehmen? Wir wissen ja gar nicht, ob Virginia wirklich ausscheiden wird und Delaware nicht. Und was soll ich mit Mr. und Mrs. Rendon anfangen? Sie sind in Philadelphia zu Hause.«
Denis pfiff leise: »Ich weiß es beim besten Willen nicht. Müssen wie sie überhaupt einladen?«
»Sie sind schon eingeladen. Sie haben uns im vorigen Sommer in Saratoga eine wunderbare Abendgesellschaft gegeben; das weißt du doch.«
»Natürlich weiß ich's«, bekannte Denis. »Außerdem gefallen sie mir!«
»Mir auch! Ach, warum hat sich all dies nicht lieber im Sommer ereignet? Dann wären wir aus dem Süden im Norden gewesen und nicht die Leute aus dem Norden bei uns im Süden; dann hätten sie sich den Kopf zerbrechen müssen. Die ganze Geschichte ist total verrückt. Präsident Buchanan hätte den Streithammeln rechtzeitig das Handwerk legen sollen.«
Denis lächelte kläglich: »Mein liebes Kind, Präsident Buchanan wurde gewählt, weil er ein freundlicher alter Herr ist, der keinen Menschen mehr durch allzuviel Taten belästigen wird. Weißt du was –? Wir wollen lieber ein Tanzvergnügen veranstalten statt einer Abendgesellschaft. Dann brauchen wir uns nicht wegen der Tischordnung den Kopf zu zerbrechen.«
Ann stimmte ehrlich erleichtert zu: »Mit Vergnügen! Ich bringe es nicht fertig, meine Freunde unfreundlich zu behandeln, nur weil sie weiter im Norden geboren sind als ich. Ach, da fällt mir ein …«
»Was denn?«
»Ich habe die Einladungen ja schon hinausgeschickt; nun müßte ich einen zweiten Brief hinterherschreiben, um sie abzuändern. Dabei habe ich schon jetzt einen Schreibkrampf. Im nächsten Winter muß ich mich nach einer Dame umsehen, die sich etwas Geld verdienen will, und muß sie zu meiner Sekretärin machen. Doch inzwischen, Denis, was wollen wir im kommenden Sommer anstellen? Wollen wir wieder nach Saratoga gehen? Oder wollen wir uns mit der Golfküste begnügen?«
»Ich kann nichts versprechen, Liebes. Zur Zeit kann man beim besten Willen keine Pläne machen.«
Ann erhob sich gekränkt; sie löste ihre Hutbänder. »Ich möchte wissen, woher diese Horde von Politikern sich das Recht nimmt, mein Dasein derart zu komplizieren!«
Denis lachte in sich hinein: »Ann, Liebes, geh nach oben, bitte! Ich muß meine Baumwollrechnungen durchgehen, ich muß!«
Ann erwiderte trocken: »Du bist seit einiger Zeit nicht viel vergnüglicher als ein Säulenheiliger. Ich gehe jetzt und spiele mit meinem ehrenwerten Sprößling. Er ist außer mir der einzige hier im Hause, dem die sogenannten Schicksale des Landes gestohlen bleiben können.«
Sie warf ihm einen Kuß zu und verließ das Arbeitszimmer. Ein Stockwerk höher im Kinderzimmer fand sie den kleinen Denis; Bertha sang ihn gerade mit einer alten Kirchenweise in den Schlaf. Ann warf Hut und Schultertuch auf einen Stuhl und streckte ihre Arme aus: »Gib ihn mir!«
Bertha gehorchte, und Ann rieb ihre Wange wohlig an der des Kindes; sie wiegte es leise hin und her und summte dabei weiter das alte Lied, das Bertha begonnen hatte. Wie süß das kleine Wesen war! Nicht länger mehr rot und häßlich war es anzuschauen; es strahlte vor Gesundheit mit runden Bäckchen und einem Gesichtchen wie Milch und Blut; und Grübchen schmückten den kleinen Kerl an jeder nur erdenklichen Stelle. Wenn sie das Kind in ihren Armen hielt, so senkte sich eine liebliche Stille auf ihr Herz; weit fort flog dann der Ärger über verspätete Moden; sie vergaß die Sorge, wie neuerdings Abendgesellschaften und hohe Politik auseinanderzuhalten wären. Während ein unbewußtes, tiefes Glück ihr Inneres erfüllte, sang sie leise:
»Wer trägt mich in den Himmel hoch
auf einem Blumenbeet der Freude? …«
Denis war sehr froh darüber, daß sie ihr Bildnis erst jetzt bestellt hatte, anstatt schon ein Jahr zuvor; die Mutterschaft, so behauptete er, hatte sie wunderbar erblühen lassen wie nie zuvor. Der Maler vollendete sein Werk im April. Jedermann fand es
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