Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
so schön herausgeputzt wie nur möglich. Wenn man als Mädchen den Soldaten zujubelte, die auszogen, das Vaterland zu verteidigen, dann mußte man fesch aussehen. An ihr Hütchen hatte sie ein neues Band genäht; sie probierte es in vielen Stellungen, bis sie schließlich den steilen Winkel herausbekam, der in diesem Jahr modern geworden war. Wenn sie nur auch die Handschuhe über ihre Finger streifen könnte –! Sie sähe dann nicht minder fein aus als die feinen Damen, elegant geradezu! Doch obgleich Ann viele Handschuhe verbrauchte und ablegte, war Corrie May beim besten Willen nicht imstande, sie zu verwenden; ihre Hände waren von der Arbeit längst zu breit und hart geworden, als daß sie sich noch in die schmalen Futterale zwängen ließen. Sie konnte also die Handschuhe nur in der Hand tragen; die Leute würden ihr schon glauben, daß sie die Dinger bloß vor lauter Hitze nicht anzöge. Sie faßte das Schultertuch vor ihrer Brust mit einer Hand zusammen, in der sie zugleich die Handschuhe zur Schau stellte; jedoch auf eine Weise, daß man die aufgeplatzten Nähte an den Fingerspitzen nicht bemerkte. Dann trat sie auf die Straße hinaus, um die anderen Mädchen zu treffen, mit denen sie sich verabredet hatte.
Sie überflog die Kleider ihrer Freundinnen mit einem Blick und erkannte sofort, daß sie selbst feiner ausgestattet schien als die anderen alle. Eines der Mädchen war Budge Fosters Schwester Ethel; Corrie May hatte nichts mehr von ihr gesehen und gehört, seit Ethel einen Burschen geheiratet hatte, der an den oberen Dockanlagen arbeitete. Ethel zeigte keine Spur von Befangenheit, als sie hier mit ihres Bruders verflossener Braut zusammentraf. Sie war eine verträgliche Seele, die es ohne viel Nachdenken hinnahm, daß Corrie May und Budge nicht mehr miteinander ›gingen‹.
»Du siehst aber wirklich wie eine feine Dame aus, Corrie May!« sagte Ethel, als der Schwarm den Rattletrap verließ, um der breiten Straße oberhalb des Parkes zuzustreben, auf welcher die Parade abgehalten werden sollte. »Ach wo –!« antwortete Corrie May.
»Corrie May arbeitet jetzt auf Ardeith«, erklärte eines der anderen Mädchen. »Und elegant wird sie auch, bestimmt!«
»Das ist richtig!« fügte Ethel offenbar nicht ohne Neid hinzu. »Ein hübsches Kleid hast du an, Corrie May.«
»Delta-Musselin!« erwiderte Corrie May selbstgefällig.
»Delta-Musselin – ist doch nicht möglich!« rief Ethel aus. »So was, so was!« Sie rieb eine der Rüschen am Rock zwischen ihren Fingern: »Fünfzig Cent das Meter kostet solcher Delta-Musselin. So teuer ist das Zeug! Und einen Reifrock hast du auch noch drunter?«
Corrie May nickte, hielt aber den Kopf gleich wieder still, damit ihr Hütchen nicht seinen modisch schiefen, aber sehr unsicheren Sitz verlor. »Zu diesem Rock sind sieben Meter Stoff verarbeitet, rundum am Boden gemessen.«
»So was, so was!« meinte Ethel abermals. »Ich möchte auch ganz gern mal einen Reifrock tragen. Aber sie kosten zu viel Stoff. Sag mal, Corrie May, du kommst jetzt ganz gut voran, scheint mir.«
»Ach, bewahre!« entgegnete Corrie May obenhin. »Es ist nicht weit her damit. Manchmal kriege ich in Ardeith eine Kleinigkeit geschenkt.«
»Aber wozu trägst du einen Schal?« wollte Ethel wissen. »Wenn ich ein Kleid hätte aus richtigem Delta-Musselin, ich würde kein bißchen davon unter einem Schultertuch verstecken.«
»Ich bin so empfindlich gegen Zugluft«, sagte Corrie May. Daß es diese Schwäche gab, hatte sie erst vor kurzem entdeckt, seit nämlich die alte Mrs. Larne aus Europa zurückgekehrt war. Corrie May hatte keine rechte Vorstellung, wie Zugluft den Leuten schadet, die dafür empfindlich waren; doch ›so empfindlich gegen Zugluft‹ zu sein, war zweifellos ein Abzeichen der oberen Zehntausend. Ethel nahm die Erklärung willig hin:
»Ach was, das wußte ich gar nicht. Sieh dich nur vor damit!«
Ethel war der Meinung, daß sie Corrie May genügend bewundert hatte; sie wollte selbst an die Reihe kommen, bewundert zu werden; sie verkündete: »Mein Mann ist auch Soldat geworden!«
»Ach, wirklich?« riefen die Mädchen aufgeregt. »Wann ist er eingetreten?«
»Es ist noch nicht so lange her. Er wird heute auch in der Parade marschieren.«
»Ist das wirklich wahr?« Die Mädchen wandten sich Ethel zu. Corrie May mochte prächtig aufgetakelt sein, aber einen Soldaten zum Mann zu haben, dessen konnte sie sich nicht rühmen; sie war überhaupt nicht einmal verheiratet.
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