Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
bedankten sich lächelnd bei den Polizeibeamten, die ihnen den Zugang zu den Hauseingängen freihielten. All die Purcells, Sheramys und Heriots schienen die übrige Menge gar nicht wahrzunehmen, als schritten sie nur wie durch große Büsche, deren Zweige die Polizisten für sie zurückdrängten. Corrie May wunderte sich wieder einmal: wäre sie selber je dazu fähig, wozu diese Leute mit unbeschreiblicher Selbstverständlichkeit imstande waren; ach, selbst wenn sie noch so reich wäre, sie würde es niemals lernen, über mindere Leute achtlos hinwegzuschauen, wie es die Larnes taten! War es überhaupt denkbar, daß sie nicht zur Kenntnis nahmen, wie ihr Benehmen, ihre Kleider, ihre Diener gierig betrachtet, begutachtet und abgeschätzt wurden. Wer gar ein paar Worte ihrer Unterhaltung aufschnappte, der fühlte sich schon ihrem engeren Kreise angehörig und erzählte voller Wichtigkeit seinen Freunden und Bekannten: »Ich habe gehört, wie Mr. Sheramy zu Miß Purcell sagte: den Soldaten wird es bei der Parade in ihren schweren Uniformen schön heiß werden, na ja!«
    Corrie May fuhr zusammen; sie vermochte ihre Aufregung kaum zu verbergen; jetzt rollte die Kutsche von Ardeith heran. Sie erkannte sie an ihren glänzenden schwarzen Pferden und den Vorhängen aus geblümter weißer Seide; Denis hatte sie sich wie üblich in dunkelrot gewünscht, aber Ann hatte auf den weißseidenen bestanden. Corrie May schob sich so weit an die Bordkante vor wie möglich.
    Der Kutscher zügelte die Pferde. Während er die schäumenden Tiere zum Stehen brachte, sprang der Lakai vom Bock und riß die Wagentür auf. Seine Verbeugung war sehr geschickt berechnet; sie erreichte ihren tiefsten Punkt gerade in dem Augenblick, in welchem seine Herrin ihren Fuß auf den Boden setzte – in diesem Fall Anns Schwiegermutter. Ein ältlicher Herr war vors Portal getreten. Er rief:
    »Ich freue mich, dich zu sehen, Frances! Tritt ein! Hast du die jungen Damen mitgebracht?«
    Das war offenbar der Fall; hinter Mrs. Larne kam Miß Cynthia Larne zum Vorschein; sie trug ein entzückendes Kleid aus getüpfeltem Musselin nach der neuesten Mode. Cynthia knickste und sagte: »Guten Morgen, Onkel Alan!« Sagte es mit so viel Grazie, daß man kaum an ihre mageren zwölf Jahre glauben mochte; sie ist auch das ganze letzte Jahr über in Frankreich gewesen, dachte Corrie May. Cynthia bat, auf Ann warten zu dürfen; Mrs. Larne trat mit ihrem Bruder ins Haus. Corrie May erblickte im Wageninnern eine weißbekleidete Hand, die sich der ebenso bekleideten des Lakais näherte; dann quoll zierlich die große Wolke eines Reifrockes aus der Tür des Wagens. Das wundervolle Gewand war aus weißem Batist gefertigt; die Volants zeigten sich mit winzigen gestickten Blumensträußchen eingefaßt, rosa, blau und grün; Corrie May erschauerte unwillkürlich; wie viele Stunden wohl die Stickerin über dies Kleid gebeugt gesessen hatte – ein Kleid, das kaum sechs Wäschen erleben würde!
    »Das ist Mrs. Larne!« verkündete sie wispernd.
    »Ich habe sie schon einmal gesehen«, hauchte Ethel ehrfurchtsvoll. »Die Larnes sind die reichsten Leute weit und breit, glaube ich.«
    »Das kann schon stimmen«, sagte Corrie May.
    »Ist es wahr, daß die Türen in ihrem Hause silberne Griffe haben? Und eine Wendeltreppe soll im Hause sein, die nach oben führt, ganz ohne jede Stütze?«
    »Das kannst du glauben. Das stimmt!« sagte Corrie May, vergaß aber zu erwähnen, daß sie selber nie etwas anderes benutzt hatte als die Hintertreppe.
    »Soll man nicht für menschenmöglich halten! Und diese Damen sollen sich Negerweiber halten, von denen sie sich jeden Morgen anziehen lassen.«
    »Ja, das habe ich selber gesehen.«
    »So was, nein, so was!« staunte Ethel.
    Es bereitete Ann einige Schwierigkeiten, den Wagen zu verlassen, denn ihr Reifrock hatte einen solchen Umfang, daß er nur mit viel Geschick und Vorsicht durch die Wagentür zu bugsieren war. Ann trug nicht etwa ein gewöhnliches Häubchen wie die meisten anderen Frauen, sondern einen Strohhut größer als ihr Sonnenschirm; ein Nebel aus Tüll überwogte ihn, Spitzen quollen über seinen Rand herab, und zwei lange rosa Bänder rieselten von oben her über Anns Schultern bis auf den breiten Reifrock hinunter. Corrie May zitterte vor geheimer Erregung: würde Ann vorübergehen, ohne sie zu bemerken? Jerry trat aus dem Haus, um Ann und Cynthia zu begrüßen; aber Ann schien mit Cynthia noch etwas Wichtiges besprechen zu müssen.

Weitere Kostenlose Bücher