Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
Wohnzimmer, in welchem die Gesellschaft stattgefunden hatte, und fand Ann auf einem breiten Sessel hockend, wie sie betrübt und spöttisch zugleich die Garnreste und Stoffschnitzel betrachtete, die über die Teppiche verstreut lagen; Ann fragte unvermittelt:
    »Verstehst du etwas vom Stricken, Corrie May?«
    »Aber gewiß doch, Madame!«
    »Willst du mir's beibringen?« fragte Ann.
    »Können Sie nicht stricken, Madame? Ich glaube, ich habe Sie schon einmal mit ein paar Nadeln herumspielen sehen.«
    Ann lachte kurz auf: »Herumspielen – da hast du recht, Corrie May. Eine glatte Bahn kann ich wohl stricken, wenn mir das Glück wohlwill und ich keine Masche fallen lasse. Aber ich habe keine Ahnung, wie man eine Hacke ansetzt oder die Fingerspitzen an einem Handschuh zusammenfügt. Wir sind ein feiner Haufen von Patrioten –! Sieh dir dies Meisterstück an, das Sarah Purcell hinterlassen hat!« Aus einem Arbeitsbeutel zog Ann ein formloses, graues Etwas, steckte ihren Finger hindurch und zog ein wenig – und die Maschen schwanden dahin wie Schnee vor der Sonne. Corrie May lachte spöttisch auf:
    »Was soll denn das vorstellen?«
    »Ich weiß es auch nicht. Vielleicht ein Halstuch. Sag, Corrie May, willst du mir wirklich beibringen, wie man strickt?«
    »Sicher, warum nicht, Madame!« bekräftigte Corrie May. »Haben Sie ein paar Nadeln zur Hand?«
    Ann kramte sie aus dem wilden Durcheinander ihres Arbeitsbeutels hervor, auch ein Knäuel Wolle kam zum Vorschein. Ann winkte Corrie May, neben ihr auf dem großen Sofa Platz zu nehmen. Und Corrie May machte sich ans Werk, der Herrin von Ardeith das Stricken beizubringen. Doch schon nach einer halben Stunde bemächtigte sich ihrer eine so gereizte Stimmung, daß sie kaum noch an sich halten konnte. Es kam ihr vor, als wäre ihr ein so dummes Wesen wie diese Ann noch nie im Leben begegnet. Die zarten, weißen Finger zeigten sich unglaublich ungeschickt; sie brachten es nicht einmal fertig, den Wollfaden über die Nadel zu schlingen. Statt dessen zogen sie Knoten ins Garn, ließen die Maschen fallen, Ann vergaß das Zählen und verwechselte rechts und links. Was schlimmer war: sie schien unfähig, auch nur zwei Minuten lang bei der Sache zu bleiben. Während Corrie May ihr mühsam dies oder jenes erklärte, blickte sie plötzlich zum Fenster hinaus und bewunderte den Mond, der lautlos hinter den hohen Bäumen aufstieg. Corrie May erinnerte Ann daran, daß sie sich vorgenommen hatte, stricken zu lernen; noch einmal begann sie ihre Erklärung von vorn; ehe sie noch halb damit fertig war, sprang Ann unversehens auf, um einen Nachtfalter einzufangen, der um die Kerze tanzte. Es fehlte nicht viel, und Corrie May hätte Ann einen Pappschädel genannt; sie bezwang sich gerade noch und sagte nur: »Madame, ich kann Ihnen wirklich nichts beibringen, wenn Sie nie länger als eine halbe Minute bei der Sache bleiben.«
    Ann entschuldigte sich, lächelnd und niedergeschlagen zugleich: »Es tut mir leid, aber ich kann mich anscheinend überhaupt nicht konzentrieren. Du mußt mich für dumm und ungeschickt halten.«
    Das stimmte zwar aufs Haar; doch erwiderte Corrie May so taktvoll wie möglich: »Ach nein, Madame. Ich glaube schon, daß es einer Dame wie Ihnen schwerfällt, mit eigener Hand etwas zu verrichten; Sie haben das niemals nötig gehabt. Nun hören Sie aber bitte zu, Madame, damit ich Ihnen die Sache erkläre!«
    Von da an gab Ann sich größere Mühe, als schämte sie sich. Es bereitete ihr offenbar nicht geringe Mühe, dem Unterricht Corrie Mays zu folgen; aber als der Abend vorüber war, schien sie doch einiges begriffen zu haben.
    Bei all ihrem Mangel an Geschick indessen verfügte Ann – wie Corrie May am nächsten Tage zugeben mußte – über einen erstaunlichen Vorrat an Ausdauer. Sie strickte vom Morgen bis zum Abend; sie unterbrach ihre Arbeit nur, um die Mahlzeiten einzunehmen und ein wenig mit dem kleinen Denis zu scherzen. Zwar mußte sie das meiste wieder auftrennen, was sie ›gestrickt‹ hatte. Aber als Corrie May an jenem Nachmittag zu Ann ins Zimmer trat, um ihren Lohn zu erbitten, hatte sie den zwei Finger breiten Anfang eines Pulswärmers zu bewundern, den Ann ihr auf vier Nadeln stolz entgegenhielt:
    »Sieh dir das an, Corrie May! Achtmal herum, und nicht ein einziges Mal verkehrt gestrickt!«
    Corrie May unterdrückte die Bemerkung, die ihr auf der Zunge schwebte; sie prüfte das bescheidene Erzeugnis eines ganzen Tages und meinte höflich: »Das

Weitere Kostenlose Bücher