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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Stuhl umstürzte und sein blanker neuer Schuh eine grobe Schramme bekam. Er beugte sich zur Erde, stellte den Stuhl wieder auf und setzte sich. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und starrte zu Boden. Auch Corrie May setzte sich wieder. Sie wartete; man mußte ihm Zeit lassen. Der Ausbruch hatte sie erschöpft; ich bin doch noch schwach, dachte sie; bin schwächer, als ich wahrhaben will. Nach schier endlosen Minuten des Schweigens fragte Budge mit rauher Stimme: »Was soll aus deiner Mutter werden, wenn du davonläufst?« Er blickte sie immer noch nicht an.
    »Papa schickt ihr die Hälfte von seiner Löhnung!«
    Wieder dehnte sich das Schweigen unbestimmt durchs Zimmer. Ein Haufen abgerissener Kinder tobte die Straße hinunter – hinter einer Katze her. Ihre Stimmen klangen überlaut. Budge sprang unvermittelt von seinem Stuhle auf.
    »Es ist keine Gerechtigkeit auf der Welt!« Er redete die Wand an. »Holen mich da von meinem Acker weg, bloß weil ich nicht reich bin!« Er drehte sich auf seinem Absatz um: »Wohin denkst du, könnten wir fliehen?«
    »Ich weiß nicht, wie die anderen Städte oder Länder heißen«, antwortete Corrie May, ohne zu zaudern. »Wir wandern am Flußdeich entlang, bis wir zu irgendeiner Fähre kommen, und setzen dann aufs Westufer über. Kein Mensch kennt dich da drüben. Keiner weiß, daß du bei den Soldaten gewesen bist. Und dann wandern wir immer weiter nach Westen – «
    »Wenn ich nur lesen könnte –! Ich würde mir eine Karte beschaffen!« meinte Budge ziemlich hoffnungslos.
    »Ob mit oder ohne Karte! Budge!« Corrie May war nicht gesonnen nachzugeben. »Budge! Es wird überall woanders besser sein als hier!«
    Sie trat dicht vor ihn hin: »Budge, sag mir, willst du mit mir mitkommen?«
    Er wandte den Kopf zur Seite: »Corrie May, ich weiß nicht, was ich dir antworten soll. In Kriegszeiten desertieren – das ist eine schlimme Sache!« Er ballte die Fäuste. »Ja, wenn sie mich anständig behandelt hätten –! Ich wollte, ich hätte mir wählen können wie die reichen Leute, ob ich in den Krieg ziehen will oder nicht!«
    »Du hast es eben nicht wählen können!« sagte Corrie May. »Hast du schon gemerkt, daß die reichen Leute nicht einmal ihre Neger zum Totschießen ins Feld schicken? Neger kosten einen Haufen Geld. Du, Budge, du kostest nur dreizehn Dollar im Monat!«
    »Ich muß jetzt gehen, Corrie May!« Das Gespräch schlug ihm sichtlich über dem Kopf zusammen. »Ich muß!« sagte er. »Ich hab' nicht länger Urlaub!«
    Sie lächelte spöttisch. »Da hast du es! Sie schnauzen dich an, wie?«
    »Ach, schweig still, Corrie May! Du weißt ja nicht, was du eigentlich von mir verlangst. Du weißt nicht, wie gefährlich es ist. Ich muß jetzt gehen!«
    »Wirst du mich wieder besuchen?«
    »Bestimmt, Zuckerkind! Sobald sie mir wieder Urlaub geben!«
    »Laß mich nicht zu lange warten!« warnte sie ihn mit ruhiger Stimme. »Wenn ich meine Glieder erst wieder bewegen kann, Budge – –! Ich bleibe keinen Tag länger hier, als es unbedingt nötig ist –!«
    »Hör auf damit, Corrie May! Jetzt muß ich wirklich gehen!«
    »Leb wohl!« sagte Corrie May leise.
    Er umarmte sie so heftig, daß sie stöhnte, denn noch schmerzten die verzerrten Muskeln und die mißhandelte Haut. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter:
    »Budge, bitte, komm doch mit mir mit! Ich will so gern deine Frau werden. Ich kann den Gedanken nicht aushalten, daß du elend betrogen wirst!«
    Budge küßte sie verzweifelt. Plötzlich riß er sich los und stürzte davon, ohne ihr Lebewohl zu wünschen.
IV
    F ür weitere zehn Tage war nichts von ihm zu sehen und zu hören. Am Nachmittag des elften Tages aber – Corrie May flickte gerade an einer zerrissenen Jacke – drang er plötzlich ins Haus, ohne vorher angeklopft zu haben. Corrie May wandte sich um; sie erwartete ihre Mutter, die eine Nachbarin hatte besuchen wollen. Als sie Budge erkannte, sprang sie auf: »Budge!« rief sie.
    Budge gab keine Antwort. Er stand steif und horchte; dann drückte er die Tür hinter sich ins Schloß, blickte sich wild und mißtrauisch in der Küche um.
    »Wo ist deine Mutter?« wollte er wissen.
    »Sie wollte Mrs. Gambrell besuchen. Seit Mr. Gambrell am Fieber gestorben ist beim Zypressenroden, geht es den Gambrells schlecht. Setz dich, Budge! Ich koche uns ein wenig Kaffee.«
    »Ich will keinen Kaffee.« Seine Augen irrten wieder im Raume hin und her, als drohte aus den dunklen Ecken Gefahr. Seine Hand griff nach

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