Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Tag Strafexerzieren aufgebrummt, weil wir die Schlägerei mitgemacht hatten. Hoffentlich ist sie mir nicht böse, daß ich sie so lange habe warten lassen.«
»Sie hat schon Verständnis dafür!« versicherte Mrs. Upjohn. »Ich bin sehr froh, daß du gekommen ist, Budge. Du mußt sie etwas aufheitern. Sie ist so niedergeschlagen, seit das Fieber sie verlassen hat; ich erkenne sie gar nicht wieder.«
»Hat sie sich einigermaßen erholt?« wollte er ängstlich wissen.
»Oh, es geht ihr viel besser, körperlich! Aber sie spricht kaum ein Wort; sitzt nur immer stumm am Fenster und läßt die Hände ruhen. Ich habe ihr zugeredet, wieder Nadel und Wolle zu nehmen und zu stricken. Ich dachte, es würde sie von ihren traurigen Gedanken ablenken, wenn sie für die Soldaten arbeitet. Aber sie will nichts davon wissen. Gut, daß du gekommen bist, Budge!«
»Darf ich eintreten?« fragte Budge voll ängstlicher Ungeduld.
»Komm nur herein! Du wirst ihr schon gefallen in deiner neuen Uniform.« Mrs. Upjohn stieß die Tür weit auf: »Corrie May, du bekommst Besuch!«
Budge zog seine Kappe vom Kopf. »Wie geht's dir, Corrie May?« rief er herzlich.
Corrie May saß in einem alten Lehnstuhl vorm Fenster; über ihre Knie war ein Umschlagtuch gebreitet. Auf der Stirn klebte ihr noch ein Pflaster; sie war viel magerer geworden, als er sich je erinnern konnte. Budge dachte: wie riesengroß ihre Augen geworden sind! Aber das kommt wohl nur von den tiefen schwarzen Ringen darunter –!
»Mein Gott!« begann er, »eine Schande, wie sie dich mißhandelt haben!«
»Schön, daß du gekommen bist! Setz dich, Budge!« ermunterte ihn Corrie May.
Budge zog sich einen Stuhl herbei und fing umständlich zu erklären an, warum er nicht schon früher wiederaufgetaucht wäre. »Ich habe dich damals aus dem Haufen heraushauen wollen, aber irgendein Kerl hat mich niedergeschlagen, knallte mir einen Ziegelstein auf den Kopf. Ich muß für ein paar Minuten mein Bewußtsein verloren haben.«
»Ach, laß nur!« entgegnete Corrie May leise. »Du hast keine Schuld. Ich gebe überhaupt niemand die Schuld.«
Budge merkte allmählich, was ihre Mutter gemeint hatte: Corrie Mays Gemüt war tief bedrückt. Sie redete leise und lustlos; das Volk hatte sie wohl zu hart geschlagen; sie schien noch nichts richtig zu fühlen. Er war gekommen, um gut zu ihr zu sein und zärtlich; er hatte ihr klarmachen wollen, daß sie solche Sachen über den Krieg nicht hätte sagen dürfen, daß er ihr aber nicht böse wäre, obgleich er nun des Landes Uniform trug. Doch es empfahl sich wohl, all diese Ermahnungen vorläufig zurückzustellen; statt dessen zerbrach er sich den Kopf, womit er sie zum Lachen bringen könnte.
»Mach's dir nur bequem, Budge«, ließ sich Mrs. Upjohn vernehmen. »Ich setze mich mit meiner Flickerei auf die Treppenstufen vors Haus. Die Sonne scheint so schön warm!«
»Ja, Madame«, erwiderter Budge und wandte sich wieder Corrie May zu. »Ich muß dir von einem Burschen erzählen, den wir neulich ins Lager bekommen haben. Er stammte von irgendwo aus dem Hinterwald jenseits von Baton Rouge und wußte nicht einmal, daß überhaupt ein Krieg im Gange ist. Die Rekrutierungsoffiziere hatten es ihm erst beizubringen, als sie kamen, ihn zu holen. Das ist ein Kerl, sage ich dir! In seinem ganzen Leben ist er noch in keiner Stadt gewesen, und Schuhe hatte er noch nie getragen. Er kam mir nicht ganz richtig vor mit seinem dicken wackligen Kopf wie ein Kasperle – «
Er befand sich anscheinend auf dem richtigen Wege, kam es ihm vor. Sie hatte sich ein wenig aufgesetzt und hörte aufmerksam zu. »Erzähl weiter!« sagte sie. »Was haben sie mit ihm gemacht?«
»Der Kerl war furchtbar komisch! Er wollte wissen, was diese Yankees eigentlich wären, gegen die er kämpfen sollte – er dachte wohl, es handele sich um wilde Tiere aus dem fernen Westen.« Budge lachte zwischendurch; sich des verrückten Kerls auch nur zu entsinnen war schon belustigend. »Er stellte sich zuerst so dämlich an, daß ihn keiner für voll nehmen wollte. Sie fragten ihn, ob er überhaupt jemals ein Gewehr zu Gesicht bekommen hätte. Und, zum Teufel, ja, das hatte er wohl! Seit er laufen könnte, wäre er nie ohne Gewehr unterwegs gewesen; und er könne alles schießen, was in den Wäldern herumliefe. Sie stellten ihm ein Kartenblatt mit einem Herz-As auf einen Baumstumpf und fragten ihn, ob er das wohl träfe. Das wäre ein Kinderspiel, sagte er, und ging so weit von dem
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