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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Schrecken ein; sie waren kaum noch zu ertragen. Wenn sie nur eine Menschenseele gehabt hätte, zu der sie sich hätte aussprechen können; aber sie hatte bestürzt die Entdeckung machen müssen, daß sie niemand gut genug kannte, um sich ihm anzuvertrauen. Sie hatte niemals auf fremde Leute besonderen Wert gelegt, sich also auch nicht die Mühe gemacht, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Menschen zu pflegen.
    Insbesondere nicht zu der alten Mrs. Larne, Denis' Mutter. Kurz nach der Abreise Denis' ins Feld hatte die Regierung die alte Mrs. Frances Larne gebeten, ihr Stadthaus als Hauptquartier zur Verfügung zu stellen. Ann hatte es daraufhin für ihre Pflicht gehalten, Frances und Cynthia nach Ardeith zurückzubitten. Doch auch in diesen Monaten, die sie mit ihrer Schwiegermutter unter einem Dache verbrachte, wollte sich kein herzliches Verhältnis entwickeln. Doch konnte Ann nicht mehr umhin, die Gefaßtheit zu bewundern, mit welcher Frances den Verlust ihres Sohnes zu tragen schien; sie beneidete sie darum und sehnte den Augenblick herbei, in dem die Schwiegermutter sich vielleicht ihrer zitternden Schwäche annehmen würde. Des Nachts, wenn sie einsam in ihrem Bett die Hände über ihre Augen preßte, dann flüsterte sie wohl ins Dunkel: »Wenn sie sich nur ein einziges Mal herbeiließe, mit mir zu sprechen!« Aber Frances kam nicht, und Ann brachte den Mut nicht auf, sich ihr zu nähern. Frances schritt durch das große Haus auf Ardeith mit einem Antlitz ohne Farbe, abweisend still und wie vom Schicksal gezeichnet. Ann hungerte danach, sie anzusprechen; doch sie wagte es nicht; denn abgewiesen zu werden, das wäre unerträglich gewesen. So brachte sie nichts Besseres zustande, als der Schweigsamkeit der Schwiegermutter nachzueifern, sich in ihr Zimmer einzuschließen und ihre Tränen einsam zu vergießen.
    Doch dann war sie selbst von der Entschlossenheit überrascht, mit der sie zu handeln begann. Vicksburg war gefallen, so daß die Streitkräfte der Yankees jetzt ihre ganze Macht auf Port Hudson richten konnten; Ann glaubte nicht mehr daran, daß sich die zweite Flußfestung noch lange halten würde. Fiel aber auch sie, so lag das ganze Tal des unteren Mississippi offen vor den schwärmenden Haufen der Gegner. Ann zog allein Cynthia zur Hilfe heran; in den Stunden zwischen Mitternacht und Morgen vergruben die beiden Frauen heimlich die wertvollsten Stücke des Familiensilbers an entfernten Winkeln des Gartens und pflanzten Nasturtium- und Oleander-Büsche über die Verstecke, um sie unkenntlich zu machen. Andere Wertsachen verbargen sie in dem Tresor im Weinkeller und schoben eines Nachts, als alles schlief, ein großes Gestell für Weinflaschen vor die Tür, hinter der die Treppe in den tiefen Keller und zu dem Tresor hinabführte; wer nicht Bescheid wußte, mußte hinter dem Schrank eine geschlossene Steinwand vermuten. Ann überanstrengte sich bei der heimlichen Arbeit so heftig, daß sie am Fuße der großen Wendeltreppe noch immer völlig außer Atem zusammensank, um schließlich auf allen vieren nach oben zu kriechen. Cynthia hatte mit einer Art von mürrischem Gehorsam ihr Äußerstes geleistet und Anns Bewunderung in viel höherem Maße erregt, als sie in ihrem gegenwärtigen Zustand der Schwäche auszudrücken imstande war; Cynthia erhob flüsternd besorgten Widerspruch:
    »Ann, ich weiß nicht viel von Damen, die sich so wie du in anderen Umständen befinden – aber diese Schufterei ist dir gewiß schädlich. Wir sollten uns von irgend jemand helfen lassen. Napoleon würde sicherlich nichts verraten.«
    Ann schüttelte ihr Haupt. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen schien es ihr durchaus nicht angebracht, einem Schwarzen Vertrauen zu schenken. Die Feldarbeiter machten sich einer nach dem anderen mehr oder weniger heimlich davon; und wenn sich auch die Hausbediensteten vorläufig nicht der langsamen Auflösung angeschlossen hatten, so war Ann keineswegs sicher, ob sie damit wirklich ihre Treue oder nur ihre tief eingewurzelte Verachtung für all das beweisen wollten, was die Feldarbeiter wann und wo auch immer für richtig hielten.
    Ann vermochte sich hinterher nicht mehr daran zu erinnern, wie sie endlich ins Bett gelangt war; sie lag noch kaum, da senkte sich der Schlaf wie ein dunkles, schweres Tuch auf sie herab.
    Erst am Morgen wachte sie wieder auf; sie fühlte sich am ganzen Leibe wie zerschlagen und vermochte sich nicht dazu aufzuraffen, nach Mammy zu klingeln, um sich das Gebräu

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