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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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suchen, sich um die St.-Clairs-Mädchen zu kümmern; wie wenig Phantasie die Durhams besaßen – jeder zweite Durham hörte auf den Namen Alan! Ein anderer Durham-Vetter hockte still für sich in einer Ecke. Er besaß nur noch ein Bein und statt des anderen einen Stock – zur Erinnerung an die Verteidigung von New Orleans. Ann hielt Umschau nach einem netten Mädchen, das ihn aufheiterte. Sarah Purcell wäre die Richtige – doch das ging auch nicht; man durfte Sarah keinen schwer Verstümmelten zumuten – ihr eigener Mann stand ja gerade vor dem Abmarsch zur Front nach Vicksburg. Cynthia Larne huschte herzu: »Suchst du jemand, Ann?«
    »Ja, ich …« Ann zögerte; sie blickte zu Cynthia hernieder. Das Mädchen hatte inzwischen die Vierzehn überschritten und sich zu einem schmalen, drahtigen Wesen entwickelt, bleich von Antlitz, mit einer schweren Wolke schwarzen Haares darüber. Sie würde niemals eine Schönheit werden; doch umgab sie ein Hauch ruhiger Verläßlichkeit, den Ann sehr wohltuend empfand. »Cynthia«, sagte Ann verhalten, »könntest du mich bei jenem Mr. Durham vertreten, der ein Bein verloren hat?«
    »Gewiß!« erwiderte Cynthia mit kühler Sicherheit. »Worüber soll ich mich mit ihm unterhalten?«
    »Das ist ziemlich gleich. Nur nicht über den Krieg!«
    Cynthia lächelte leise: »Ich verstehe. Gut!«
    Ann stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Räume waren überfüllt; die Enge verursachte ihr Kopfschmerzen. Unwillig wies sie ihre Nerven zur Ruhe und widmete sich weiter ihrer Aufgabe, die vorbildliche Gastgeberin zu spielen. Ab und zu bot ihr einer der Herren Champagner an; sie lehnte die Gläser nicht ab. Sie fand keine Zeit, irgend etwas Richtiges zu essen; eine zittrige Erschöpfung drohte sich ihrer zu bemächtigen, der sie kaum noch zu widerstehen vermochte. Doch es gelang ihr noch einmal, sich zusammenzureißen, als sie mit Bertram St. Clair ein Glas Sekt getrunken hatte. Es wurde höchste Zeit, daß sie sich wieder in die Hand bekam, denn das Zeug war von heimtückischer Wirkung – und dies war Denis' letztes Fest! Wie schwer ihr auch immer das Herz werden mochte – sie durfte sich nicht gehenlassen und den Charme, den ihr jedermann nachsagte, einfach aus Nervosität vergessen.
    Schließlich rettete sie sich in einen Winkel der weiten Zimmerflucht und hielt inne, den bunten Wirbel aus der Ferne zu betrachten: die Blumen und die zahllosen Kerzen, die schwellenden Rüschen und die raschelnden Volants, die glitzernden Epauletten, die Krücken und die Narben. »Wie viele von uns werden in einem Jahr noch am Leben sein?« fragte sie sich leise. »Und im Kinderzimmer schläft mein Kind; ein zweites habe ich empfangen. Wie kann man nur als Frau so grausam sein, in diese Sorte von Welt Kinder hineinzugebären!«
    Denis tauchte in der Ferne auf; sein schöner Kopf und auch noch seine Schultern überragten einen Schwarm von blumengeschmückten Frisuren. Er wurde ihrer ansichtig und grüßte sie verstohlen mit einem Lächeln des Einverständnisses. Sie hob ihre Hand, küßte ihre Fingerspitzen in schneller, heimlicher Gebärde und ließ die luftige Zärtlichkeit zu ihm hinüberflattern.
    Als ihre Hand wieder herniedersank, rührte sie eine umflochtene Flasche an, die einer der Diener dort vergessen hatte. Unwillkürlich schlossen sich ihre Finger um das gläserne Gefäß. Doch unerwartet tauchte Jerry neben ihr auf:
    »Laß das, Ann!«
    Er sprach mit leiser Stimme, aber mit so strengem und scharfem Ausdruck, daß sie fast erschrocken aufblickte: »Was soll ich lassen?«
    »Dich zu betrinken!« sagte Jerry.
    »Wie kannst …«
    »Komm hier herein, bitte!« unterbrach Jerry sie gedämpft. Er zog sie durch eine Nebentür in ein Hinterzimmer. Ann blieb vor ihm stehen, überrascht und unwillig.
    »Jerry, ich bin nicht betrunken. Noch nie …«
    »Ich kenne die Anzeichen«, unterbrach er sie abermals. »Du hast den Champagner wie Wasser hinuntergegossen, den ganzen Abend lang! Gerade hast du wieder trinken wollen. Hör auf damit!«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, beteuerte Ann. »Es fällt mir ohnehin schwer genug, an diesem Abend meine Haltung zu bewahren. Nun fängst auch du noch …«
    Sie wußte nicht weiter.
    »Ja, ich weiß alles!«
    Er legte ihr seine Hände auf die Schultern, plötzlich sehr zart und liebevoll.
    Sie sank auf einen Stuhl. »Jerry, du ahnst es ja nicht: ich bin wie in Wasser und Feuer getaucht, schon den ganzen Abend über. Ich muß etwas dagegen tun,

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