Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
militärische Bekleidung war offenbar entworfen, um wohlgebaute, starke Körper wie den Denis' zur Geltung zu bringen; ein ungeschickt gestalteter Mensch wie Jerry wirkte im Grau der Konföderierten einfach grotesk.
»Amüsierst du dich?« fragte sie ihn.
»Ausgezeichnet!« Seine Mundwinkel bebten vor verhalten grimmiger Belustigung. »Du bist eine vollendete Gastgeberin, meine Liebe, die schönste Blüte der Frauenwelt aus den Südstaaten – – «
»Bitte, hör auf damit!« flüsterte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.
Er zog die linke Augenbraue hoch: »Was willst du sonst von mir wissen, schönes Schwesterchen?«
»Ach – daß einer mir endlich die Wahrheit sagt.« Ihre Hand krampfte sich um die Elfenbeinstäbchen ihres Fächers. »Ich bin nahe am Verzweifeln, Jerry.«
Er lächelte kaum merklich und zog sich ein wenig tiefer in den Schatten des Fenstervorhangs zurück. Die Musik verschluckte ihre Stimmen. »Wenn du es also genau wissen willst, Ann – du bist die großherzigste Närrin, die mir jemals unterlaufen ist; du verdienst einen hohen Orden für Tapferkeit vor dem Feinde. Ich habe Denis noch nie so vergnügt gesehen wie in dieser Nacht.«
»Dann – – hältst du's also für richtig – – all diesen Aufwand?«
»Durchaus, mein Liebling!«
Plötzlich fragte sie: »Jerry, gebe ich diesen Ball eigentlich nur für Denis? Oder gebe ich ihn für mich? Glaubst du, daß ich anders geworden wäre, als ich bin, wenn ich Denis nicht geheiratet hätte?«
Er ließ seinen Blick über ihre Robe aus grünem Samt gleiten, über die kostbaren Spitzen an ihrem Mieder und über die Blumen in ihrem Haar. »Erspare mir die Antwort, bitte!«
»Warum weichst du mir aus?«
»Warum? Weil du Denis nun einmal geheiratet hast. Wenn es Denis nicht gewesen wäre, dann hättest du jemand geheiratet, der ihm verzweifelt ähnlich gesehen hätte. Ich halte nichts von dem Unsinn, daß man nur einmal wirklich lieben kann. Eine Frau vermag sich ein dutzendmal zu verlieben, in ein Dutzend Männer, und es bleibt doch immer derselbe Mann in den zwölfen.«
Ann biß sich auf die Lippen. Ihre Hände umschlossen den Fächer so dicht, daß die Stäbchen sich schmerzend in ihre Finger preßten. Gerade schloß der Walzer in strahlenden Akkorden. Sie hob ihre Augen und blickte ihren Bruder an, als wäre sie dicht am Weinen:
»Ich fürchte, daß ich das nicht allzu genau verstehen will. Vielleicht bin ich auch viel zu erregt diesen Abend. Es ist bald Mitternacht. Was meinst du, soll ich jetzt die Leute auffordern, einen Happen zu essen? Es ist alles angerichtet.«
Jerry beachtete ihre Frage nicht, statt dessen fragte er:
»Verzeihst du mir?«
»Was sollte ich dir zu verzeihen haben? Komm, wir wollen zum Essen gehen.«
Jerry trat zur Seite, um sie zwischen sich und dem Flügel vorübergehen zu lassen. Er flüsterte ihr zu: »Du zitterst vor Nervosität, Ann. Sei vorsichtig!«
Sie hatte bald keine Zeit mehr, an sich selbst zu denken. Im Speisesaal bewies sie das Geschick der Gastgeberin, an drei Stellen zu gleicher Zeit zu sein; sie sorgte dafür, daß die alten Damen nicht lange nach einer Sitzgelegenheit zu suchen brauchten. Sie wußte die Gäste, die sich ihre Teller schon gefüllt hatten, unmerklich und taktvoll vom Büfett fortzulocken, damit die Späteren nicht gehindert wurden; es gelang ihr auch das Schwierigste, die ungenügende Anzahl von Herren so zu verteilen, daß sich keine einzige Gruppe von Mädchen oder älteren Damen wirklich vernachlässigt fühlte. Zwischendurch fuhr ihr verstohlen der Gedanke durchs Hirn: dies ist die einzige Kunst, die ich wirklich beherrsche. Hierzu bin ich geboren. Wer mehr von mir verlangt, vergeht sich an mir.
»Darf ich Ihnen auch einen Teller bringen, Mrs. Larne?« Hugh Purcell war plötzlich neben ihr.
Sie strahlte ihn mit dem Lächeln an, durch das sie als Gastgeberin berühmt geworden war: »Schönsten Dank! Noch nicht! Ich habe mich um meine Gäste zu kümmern.«
»Eine kleine Erfrischung müssen Sie zu sich nehmen. Hier –! Verweilen Sie wenigstens für eine Minute!«
Er griff nach zwei Gläsern Champagner, die Napoleon gerade auf einem fast schon geleerten Tablett vorübertrug, und kredenzte Ann eines davon:
»Gott steh' uns hier im Süden bei!« Er trank ihr zu.
»Gott steh' uns bei!« echote sie gehorsam.
Doch der Sekt belebte sie augenblicklich; sie war froh, daß Hugh sie dazu gezwungen hatte. Sie setzte ihr Glas ab; sie mußte einen der Alan Durhams zu bewegen
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