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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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kleiner kreisrunder Fleck im Gehirn, der frei geblieben war von der sonderbaren Verwirrung.
    Sie fühlte noch, daß sie vom Stuhl und auf den Fußboden glitt; sie fing sich im Gleiten und suchte sich an dem Stuhl wieder aufzurichten. Sie war nicht bewußtlos. Sie wußte sehr genau, daß sie auf dem Fußboden lag, daß ihr Kopf auf dem Stuhlsitz ruhte und daß ihre Hände ihn hielten. Hundert wirre Gedanken jagten sich in ihrem Kopf. Irgendwer mußte den Kindern zu essen geben; Bob Purcell hatte gesagt, sie werde zusammenbrechen, wenn sie sich nicht zusammennehme; sie konnte es nicht ändern; es machte jetzt auch nichts mehr aus; sie hatte ihre Arbeit getan. Irgendwer würde die ausgeschriebenen Schecks zur Post befördern lassen. Ardeith war gerettet, und sie hatte Geld genug, um lange Zeit davon zu leben, auch wenn sie gar keine Baumwolle mehr pflanzen würde. – Als Cameo sie eine Stunde später fand, lag sie noch immer am Boden und murmelte vor sich hin, sie sei fertig, sie habe es geschafft.
    Cameo rief einen Jungen; sie trugen sie die Treppe hinauf und legten sie in ihr Bett. Zu dieser Zeit wand sie sich in heftigen Fieberdelirien.
V
    E leanor wußte ganz klar, daß sie Fieber hatte und daß heftige Schmerzen ihren ganzen Körper durchzuckten. Sie hätte nie für möglich gehalten, daß es so viele Stellen an einem Körper geben könnte, die zu gleicher Zeit weh täten. Es war Nacht um sie herum; ab und zu durchbrachen Lichtflecke die Dunkelheit und taten ihren Augen weh. In ihrem Kopf schwirrten allerlei Zahlen; sie sprach sie laut vor sich hin; »Siebzehn Cents – zwanzig Cents – siebenundzwanzig Cents – achtunddreißig Cents.« Sie wiederholte die Zahlen fortgesetzt.
    Nach einer langen Zeit wurde ihr bewußt, daß sie im Bett liege und daß es dunkel sei, vielleicht weil ihre Augen geschlossen wären. Jemand zog ihr die Bettdecke über die Arme herauf. Sie öffnete die Augen. Sie sah, daß sie in ihrem eigenen Bett lag, unter dem roten Baldachin, und daß eine fremde, weißgekleidete Frau über sie gebeugt war; die Frau trug eine Maske über dem unteren Teil des Gesichtes. Eleanor sagte: »Achtunddreißig Cents«, aber die Frau schien das nicht zu interessieren, sie achtete nicht darauf und trat vom Bett zurück. Eleanor sah am Fuß des Bettes einen ihr merkwürdig bekannten Mann sitzen, dessen Mund und Nase eine Gazemaske verdeckte. Sie sah den Mann an und traf auf seinen Blick. Er war groß und breitschultrig und hatte blaue Augen. Und was von seinem Gesicht zu sehen war, kam ihr vertraut vor in seinem rötlichen Schimmer. Eleanor bewegte sich, um ihre Lage zu verändern. Der Mann reichte mit seiner großen Hand herüber, um sie zu streicheln. Als sie die Hand mit den großen, eckigen Nägeln sah, erkannte sie den Mann. Sie hörte auf, Zahlen vor sich hinzusagen. Ein sonderbarer Friede kam über sie. Einen Augenblick lag sie ganz ruhig, dann sagte sie leise mit einem schwachen Lächeln um die Lippen: »Papa!«
    Er sprang auf und trat an das Kopfende des Bettes. Sie wollte noch etwas sagen, aber sie konnte es nicht. Er setzte sich auf die Bettkante neben sie. Es gelang Eleanor, ihre Hand unter der Bettdecke hervorzuziehen und in die seine zu legen. Der Mann sagte, hinter der Maske hervorsprechend: »Es ist alles in Ordnung, Baby.« Sie hielt seine Hand und schloß wieder die Augen. Der Vater war da, er würde auf sie achten; er wußte ja, daß sie im Augenblick nichts tun konnte. Sie konnte sich gehenlassen und krank sein, so lange sie wollte.
    In den folgenden Wochen wurde Eleanor außer ihrem Leiden sehr wenig bewußt. Da gab es Stunden, die ihr wie Jahre vorkamen, Jahre der Qual, da sie nicht zu atmen vermochte, da sie nicht sprechen konnte und nur den einen Wunsch hatte: Die Schmerzen möchten weichen, und sie möchte sterben. In den Stunden, da sie zu denken vermochte, sagte sie sich, daß die Kriegsgrippe, von der sie befallen war, sich vermutlich zu einer bösartigen Lungenentzündung entwickelt habe. Man hatte ihr das ja des öfteren gesagt, ohne daß sie weiter darauf geachtet hätte.
    Aber sie überwand die Krankheit. Sie lag schwach und erschreckend weiß in ihrem Bett und begann allmählich wieder Interesse an den Dingen ihrer Umwelt zu nehmen und Fragen zu stellen. Fred Upjohn war häufig da; er jagte zwischen seinen Deichbaulagern und Ardeith hin und her, und wenn er abwesend war, nahm die Mutter seine Stelle ein oder eine ihrer Schwestern. Die Kinder waren in New Orleans bei ihrer

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