Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Körpers, und die kleine Arbeit des Scheckausschreibens, die vor ihr lag, erschien ihr wie eine nicht zu bewältigende Aufgabe.
Angeekelt von ihrer eigenen Schwäche, schleppte sie sich die Treppen hinunter und kochte sich ein Ei. Der Gedanke, es essen zu sollen, widerte sie an, aber sie zwang sich dazu, und sie trank auch ein paar Tassen Kaffee, in der Hoffnung, das starke Getränk möchte ihren hämmernden Kopfnerven Beruhigung bringen. Aber es wurde eher schlimmer. Sie gab Befehl, sie nicht zu stören, und ging in ihr Arbeitszimmer.
Ihre Finger schmerzten so sehr, daß es ihr schwer wurde, die Schreibtischschublade aufzuziehen. Sie spielte mit dem Federhalter herum und fand, daß es eine unsägliche Anstrengung erfordere, die Verschlußkappe abzuschrauben. Schließlich schlug sie das Scheckbuch auf. Zehn Minuten! dachte sie, in zehn Minuten ist es getan.
Vor ihren Augen drehten sich allerlei Bilder in einer Wolke wogender Nebel. Sie meinte, alle Bilder zu gleicher Zeit zu erblicken: die verschuldete Ardeith-Plantage, den Zusammenbruch der Baumwoll-Börse, den Zeitungsausschnitt, der sie über das Wesen der Schießbaumwolle unterrichtete, die unablässige, ruhelose Arbeit auf den Feldern. Zehn Minuten, dachte sie, es ist alles klar, ich muß nur die paar Zahlen hinschreiben; es dauert bestimmt nicht länger. Ich habe gesiegt! dachte sie und fühlte gleichzeitig, daß der Gedanke ohne jeden Eindruck blieb; sie war viel zu elend, um Sinn und Wesen eines Wortes zu erfassen. Sie begann, den ersten Scheck auszuschreiben.
Daß Schreiben so schwer sein kann! Die Finger bewegten sich langsam und widerwillig; vor ihren Augen war ein Schleier, dahinter waren Zahlen, die nicht zu erkennen waren. Und der Schmerz kroch und bohrte in ihr herum wie ein Wurm.
Ganz plötzlich durchfuhr sie ein lähmender Schrecken: Ich bin krank! Sie stieß den Gedanken wie einen Verbrecher aus ihrem Hirn. Sie war nicht krank; es war lächerlich; sie war niemals krank gewesen, sie hatte keine Zeit für derartigen Unsinn. Sie mußte jetzt diese Schecks hier ausschreiben und dann noch die Begleitbriefe abfassen. Was ging sie die Grippe an! Die Grippe hatte keine Macht über sie.
Aber der widerwärtige Wurm in ihr kroch weiter und weiter; die Schmerzen waren überall, es war längst nicht mehr festzustellen, was ihr weh tat; die Glieder gehörten ihr ohnehin nicht mehr; sie waren selbständige Wesen und taten, was sie wollten; ihre Füße bewegten sich unter dem Tisch, aber sie wußte nichts davon, da waren zehn Zehen, und jede einzelne war ein besonderes Wesen und wurde von ganz besonderen Schmerzen geplagt; in ihren Schultern riß und zerrte es so, daß es unmöglich wurde, den Arm zu heben und die Hand zu bewegen, etwa um das Haar aus der Stirn zurückzustreichen, hinter der ein stählerner Hammer unentwegt pochte. Aber der Kopf gehörte ihr ja auch nicht, er gehorchte ihr nicht, er wollte nicht länger aufrecht stehen, und sie hatte keine Macht, ihm zu befehlen; er sank ihr auf die Brust. Dann war es ganz leer hinter der Stirn, als sei da gar nichts mehr, und die Haut brannte wie Feuer, als müsse sie jeden Augenblick aufflammen, und drinnen im Körper war eine Kälte, als hätte ihr jemand einen riesigen Eiszapfen gegen das Rückgrat geschleudert.
Eleanor saß vor dem Schreibtisch; sie sah, daß das Zimmer sonderbar geformt war, daß Wände und Möbel sich im Kreise drehten. Dann, für einen Augenblick, hob sich der Schleier vor ihren Augen. Ich habe ja nur noch einen Scheck auszuschreiben, dachte sie. Ihre Hand tastete wie ein Tier über die Platte, um den Füllhalter zu ergreifen, sie ergriff ihn auch, das Scheckbuch war da, es war aufgeschlagen, die Finger bewegten sich, die Feder glitt über das Papier, träge, sehr, sehr träge, aber sie formte ihren Namenszug, ein bißchen anders als sonst, ein bißchen schwerfällig, nicht viel anders wie bei einem Kind, das eben erst schreiben gelernt hatte. Der Halter entfiel ihrer Hand und glitt in ihren Schoß hinunter; er hinterließ einen Fleck auf ihrem Kleid und rollte auf den Fußboden. Eleanor sah ihm blinzelnd nach. Der Federhalter rollte über den Teppich. Er benahm sich wie alle anderen Gegenstände im Zimmer auch; alles bewegte sich, tänzelnd wie die Schatten des Kaminfeuers. Sie lächelte etwas töricht; es war ihr keineswegs klar, was da geschah. Es war auch ganz gleichgültig; sie hatte ihre Arbeit getan. Dieses Wissen war alles, was übriggeblieben war von ihrem Denken, ein
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