Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
davor zurückgeschreckt, eine so delikate Aufgabe zu übernehmen! Ich bin mit Kester verwandt, nicht wahr; seine liebe Mutter ist meine Cousine, und da wirst du mir nachfühlen, wie schwer es mir wird, Böses über mein eigen Fleisch und Blut zu sagen. Kester war immer ein wilder Junge, schwer zu leiten, und es brach uns manchmal das Herz, wenn wir sahen, wohin er zu treiben drohte. Da dachten wir alle, eine Heirat würde ihn ruhiger machen, würde zu seinem Glücke führen – –«
Eleanor hatte unentwegt das leere Lächeln im Gesicht; ach, es wurde ihr so schwer, es war kaum noch zu ertragen. Aber sie riß sich zusammen. Ich will dieser Person nicht die Genugtuung verschaffen, mich unter der Qual ihrer Demütigungen leiden zu sehen, dachte sie. Sie regte sich nicht.
»Verstehst du denn immer noch nicht, was ich meine?« fragte Sylvia und begann wieder nervös hin und her zu rutschen.
»Nein, Cousine Sylvia«, entgegnete Eleanor, »ich tappe völlig im dunkeln. Möchtest du vielleicht noch eine Tasse Kaffee?«
Sylvia dankte. Sie fuhr fort, mit ihrer monotonen und ausdruckslosen Stimme auf ihr Opfer einzureden, sie sondierte, deutete an, beobachtete. Eleanor blieb unentwegt stumpf und gleichgültig. »Die Frau ist immer die letzte, die diese Dinge erfährt«, lamentierte Sylvia. »Und das ist furchtbar. Die Leute meinen, es sei taktvoll, nicht darüber zu reden, aber jemand sollte reden, und wenn schon geredet werden muß, dann sollte sich jemand aus der Familie finden, meinst du nicht auch? Jemand, der mit Kester verwandt ist.«
»Ich hatte manchmal den Eindruck, nahezu alle Bewohner der Stadt seien mit Kester verwandt«, murmelte Eleanor.
»Ja«, versetzte Sylvia, »die Familie ist sehr verzweigt. Aber für eine so delikate Mission eignet sich sicherlich besser ein Mensch, der während seines ganzen Lebens intim mit dem Hause verkehrte, als irgendein entfernter Verwandter. Wenn doch nun einmal über die Dinge gesprochen werden muß.«
»Aber über welche Dinge muß denn gesprochen werden, Cousine Sylvia?« fragte Eleanor höflich.
»Aber mein armes, unschuldiges Mädchen, sollte es möglich sein, daß du immer noch nicht verstehst?«
»Was soll ich verstehen, Cousine Sylvia?«
»Aber liebste Eleanor, jedermann weiß, daß Kester auf dem staatlichen Baumwollamt arbeitet, daß er schon seit zwei Monaten da ist.«
»Ja – und? Natürlich weiß das jeder. Warum denn auch nicht?« Eleanor zog erstaunt die Brauen hoch.
Sylvia starrte sie an, räusperte sich und starrte wieder. »Aber mein liebes Kind«, fuhr sie schließlich fort, »hast du darüber hinaus noch kein Geflüster vernommen?«
»Geflüster? Was für ein Geflüster?« fragte Eleanor.
»Ach du unglückliche Frau!« jammerte Sylvia. »Ich meine über Isabel Valcour!« Ihr Blick kroch über Eleanors Gesicht. Eleanor lächelte starr, lächelte und wartete unbewegt ab, bis Sylvia ihr Geschwätz wieder aufnahm: »Die arme Isabel! Sie ist so ein charmantes Mädchen, weißt du, und sie stammt aus einer so ausgezeichneten Familie – ach, es ist alles so unendlich traurig. Erst ihre brillante Heirat, dann ihr junges Witwendasein, so jung, wie sie noch war! Wir dachten bisher, sie habe hier weiter kein Interesse, ihr Herz weile noch in einer anderen Hemisphäre.« Sylvia schüttelte ratlos den Kopf, als bestände die Welt aus Dutzenden von Hemisphären und sie könne sich nicht entschließen, das in sie gesetzte Vertrauen zu enttäuschen und zu verraten, in welcher sich Isabels Herz befände. »Aber das ständige Alleinsein«, fuhr sie schließlich fort, »und dann die Rückkehr in die Heimat für die Dauer des Krieges – das alles muß das arme Mädchen schließlich so unglücklich gemacht haben; sie hat ja keine Eltern mehr, und Kinder hat sie auch nicht. Eine Frau sollte nicht allein sein, sie sollte Kinder und ein Heim haben. Aber es sieht so aus, als ob gerade wir guten Frauen, die wir ständig bemüht sind, unsere Pflicht zu erfüllen, am meisten Leid und Unglück erfahren; ist es nicht so, meine Liebe?«
»Wenn du mich meinen solltest, ich bin ganz zufrieden, Cousine Sylvia«, sagte Eleanor, und nun war ein neuer Ton in ihrer Stimme. Der Ärger kam in ihr hoch über Sylvias Zudringlichkeit, und sie hätte sie mit Vergnügen erwürgt.
»Oh, mein gutes Kind«, sagte Sylvia, »sollte es wirklich sein, daß deine Liebe zu Kester dich so verblendet, daß du nicht siehst, was um dich her geschieht: Kester – Isabel –?«
Sie legte eine
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