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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hatte keine Ahnung, was sie tun, was sie unternehmen sollte. Vielleicht würden frische Luft und ein Spaziergang ihr guttun. Der Himmel war wolkig, dann und wann durchbrachen Sonnenflecken die Düsternis; es regnete nicht. Ein langer Spaziergang würde vor allem helfen, ihre Gedanken zu klären. Sie zog ein Paar derbere Schuhe mit flachen Absätzen an, hüllte sich in ihren Mantel und ging die Uferstraße hinunter.
    Schon nach wenigen Minuten war sie froh, hinausgegangen zu sein. Der feuchte Wind, der ihr Haar durchblies, erfrischte sie. Das Land atmete in friedlicher Ruhe. Die Moosgirlanden der Eichen auf beiden Seiten der Straße wehten im Winde, und hinter den Eichen warteten die endlosen Felder auf ihre Wiedergeburt im kommenden Frühling. In den Kronen der Bäume orgelte der Wind eine ernste und einfache Melodie. Die Hände in den Taschen ihres Mantels vergraben, folgte Eleanor den Windungen der Straße; den dann und wann vorübergleitenden Autos und Pferdegespannen zollte sie keinerlei Aufmerksamkeit. Es war schon immer so gewesen, daß ein Spaziergang in frischer Luft ihre Nerven am ehesten beruhigte.
    Sie ging und ging, ohne noch sonderlich des Weges zu achten; die huschenden Gedanken, die dann und wann im Rhythmus des Schreitens in ihr aufkamen, verblaßten und blieben schließlich irgendwo im Hintergrund. Der Wind nahm an Heftigkeit zu; es tat ihr wohl. Sie blieb einen Augenblick stehen, um ein paar Haarnadeln zu befestigen, und ging dann weiter. Über dem Strom begannen Nebelschleier zu wogen.
    Allmählich spürte sie, wie Müdigkeit sie überkam. Sie sah sich um und stellte mit einigem Verwundern fest, daß sie an die vier bis fünf Meilen gelaufen sein mußte; sonderbar, das war ihr gar nicht bewußt geworden. Es mochte daher kommen, daß sich ihre Entfernungsvorstellungen durch das Auto gebildet hatten. In den alten Zeiten, da es noch keine Automobile gab, hatte die Ardeith-Plantage weitab in der Einsamkeit gelegen. Eleanor erinnerte sich, gehört zu haben, daß man vier Tage gebraucht hatte, um von Ardeith nach New Orleans zu kommen. Das aufkommende Dampfboot hatte diese Reisezeit dann auf weniger als einen Tag reduziert, und jetzt fuhr man mit dem Zuge kaum noch zwei Stunden. Flugzeuge – –
    Plötzlich wurde es ihr bewußt, daß die Dunkelheit eingebrochen war.
    Es war zwar schon ziemlich spät gewesen, als sie zu ihrem Spaziergang aufbrach, aber sie hatte nicht auf die schwindende Zeit geachtet. Jetzt verhielt sie mitten im Schritt, unsicher, wie lange sie für den Weg gebraucht habe. Sie schalt sich töricht, nicht vorher bedacht zu haben, daß sie ja allein auf der einsamen Landstraße zurücklaufen müsse. Als sie sich umwandte, um den Rückweg anzutreten, trieb der Wind ihr ein Büschel Haare in das Gesicht.
    Das war kaum noch ein Wind. Es schrie und tobte in den Baumkronen und schüttelte die Zweige. Eleanor fröstelte und schlug den Mantelkragen hoch. Es war nur ein leichter Mantel, den sie trug, aber das Laufen hatte sie bisher warm gehalten. Nun aber, da der eisige, schneidende Wind sie im Rücken jagte, schauerte sie unwillkürlich zusammen. Als sie den Mantelkragen hochschlug, traf ein Regenspritzer sie ins Gesicht.
    Der Regen kam plötzlich und mit jäher Gewalt. Und nirgendwo war ein Dach, das wenigstens vorübergehend Schutz geboten hätte. Es stürzte wie ein reißender Gießbach vom nachtdunklen Himmel herunter und schlug wie mit Peitschen. In wenigen Minuten war Eleanor bis auf die Haut durchnäßt. Das Wasser lief ihr über die Augen und den Rücken hinunter. Die Landstraße hatte sich in unglaublich kurzer Zeit in ein Schlammbad verwandelt. Der jagende Wind trieb sie wie einen Halm von einer Straßenseite zur anderen. Sie stolperte mehrmals gegen einen Baum; dann wieder tappte sie blind in Schlaglöcher der Straße hinein und sah sich von aufspritzendem Schlamm übersprüht. Ihre Schuhe blieben stecken und mußten bei jedem Schritt befreit werden.
    Eleanor war zunächst weniger erschreckt als verwirrt von dem plötzlich hereinbrechenden Unwetter. Sie schalt erbittert ihren eigenen Mangel an Vorsicht. Jeder Narr hätte gesehen, daß das Wetter heraufkam, ganz gewiß ein in Louisiana geborener Narr, der Winterregen dieser Art aus Erfahrung kennen mußte. Es sah aus, als würde der Regen stundenlang anhalten; die Erde weichte langsam auf, und das Gehen wurde zur Qual. Die Eichen stöhnten und ächzten unter dem rauhen Zugriff des Windes. Eleanors Haar war längst durchnäßt, ihre

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