Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
hättest auch wissen sollen, daß ich deinen Rat erbeten hätte, wenn ich ihn benötigte. Ich begreife natürlich dein Interesse an diesen Dingen. Es muß ziemlich trübselig sein, nichts zu tun zu haben, als still und nutzlos zwischen Gräbern zu stehen.« Sie öffnete die Eingangstür. »Vielen Dank für deinen Besuch, Cousine Sylvia.«
»Ich bin nicht deine Cousine!« keuchte Sylvia.
Eleanor sah ihr nach, wie sie über die Veranda ging und die Treppen hinunterstieg. Sie ging in ihr Zimmer zurück. Ihre Lippen kräuselten sich vor Wut; sie zitterte vor innerer Empörung am ganzen Leibe.
Als sie dann den Ursachen von Kesters Untreue nachzusinnen begann und sich alles in die Erinnerung zurückrief, was zu dieser Entwicklung geführt hatte, fiel sie auf ihr Bett und bettete den Kopf in die Arme. Das ganze Ausmaß ihres Unglücks überfiel sie in jähen Stößen und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie weinte ihren fassungslosen Schmerz in die Kissen hinein, bis sie rot verschwollene Augen hatte und sich einer langen Behandlung mit heißem Wasser und Eis unterziehen mußte, bevor sie wagen konnte, den Kindern gegenüberzutreten.
III
C ornelia kam lamentierend von der Schule zurück und beklagte sich über das schlechte Wetter, das sie wahrscheinlich zwingen würde, den ganzen Nachmittag im Zimmer zu verbringen, und sie wollte so gerne draußen im Freien spielen. Der kleine Philip, der während des ganzen Vormittags ohne Protest drinnen gespielt hatte, schloß sich der Schwester jetzt lärmend an. Eleanor beruhigte sie, indem sie ihnen versprach, am nächsten Tag mit ihnen in die Stadt zu fahren. Der nächste Tag war ein Sonnabend; da brauchte Cornelia nicht zur Schule. Sie versprach, ihnen neue Kleider zu kaufen, damit sie auf einer Weihnachtsparty, zu der sie eingeladen waren, schmuck aussähen. Die Kinder beruhigten sich über dieser erfreulichen Aussicht sogleich. Um sie für den Nachmittag zu beschäftigen, gab Eleanor ihnen einen Karton mit einer Serie Ausschneidebilder, der ursprünglich als Weihnachtsgeschenk vorgesehen war. Da waren Köpfe, Beine und Rümpfe von Tieren, auf dünnem Karton gedruckt, auszuschneiden und aneinanderzufügen. Die Kinder beschäftigten sich beide gern mit derartigen Dingen und gingen deshalb willig hinauf in das Kinderzimmer, wo sie sich am Kaminfeuer niederließen, nachdem sie mit stumpfen Scheren und einem Topf Leim ausgerüstet worden waren, vortrefflich vorbereitet, um Unordnung zu schaffen. Sie waren beide so liebenswert, wie sie da nebeneinander auf dem Fußboden saßen und miteinander plapperten. Ihr lautes und überschwengliches Wesen erinnerte so sehr an Kester, daß Eleanor einen dumpfen, hämmernden Schmerz fühlte, als sie mit ihnen sprach.
Sie überließ Dilcy die Beaufsichtigung der Kinder und ging in ihr eigenes Zimmer, wo sie sich vor das Kaminfeuer setzte. Sie fragte sich, was Kester jetzt wohl tun möchte, was er dächte und ob er die Kinder vermißte. Was immer er auch über sie selbst denken mußte, sie konnte nicht glauben, daß er es auf die Dauer fertigbrächte, Cornelia und Philip zu entbehren. Sie hatte nie einen Mann gesehen, der durch sein bloßes Erscheinen solch ungestüme Freude in seinen Kindern auszulösen vermochte wie Kester. Aber sie wollte nicht – das sagte sie sich zum hundertsten Male –, daß Kester nur um der Kinder willen zurückkomme. Weder ihre Liebe noch ihr Stolz vermochten das zu ertragen. Kester sollte nach Hause kommen, weil er sie liebte. Er hatte sie sehr geliebt, das wußte sie, und, gleichgültig, wie sehr sie ihn immer gekränkt haben mochte an jenem letzten Abend ihres Beisammenseins, man zerschlug nicht mit einem einzigen Schlag eine Gemeinschaft, die in vielen Jahren gewachsen war. Sollte es wirklich zutreffen, daß er wieder zu Isabel ging, so war er sicherlich nur in der Verzweiflung zu ihr zurückgekehrt, wie jemand sich dem Glücksspiel oder dem Alkohol zuwendet, wenn er den Halt verliert. Aber das waren, soweit sie von diesen Dingen wußte, Männer, denen das Laster eine Ausflucht war, die keinen anderen Weg mehr sahen, als einen Vorhang zwischen sich und die ihnen unerträglich gewordene Wirklichkeit zu ziehen.
Oder war es nur ihr Stolz, der sie so denken und ihn heimlich verteidigen hieß, der Stolz, der sich nicht eingestehen wollte, daß sie selber gerade da gefehlt hatte, wo sie sich so eifrig bemühte?
Sie wußte es nicht. Eleanor, halt ein! rief sie sich selber zu. Tu etwas! Unternimm etwas!
Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher